On Display: Sarah Gramotke über die Fotogramme von Eleonora Arnold und Simon Ringelhan

1.4.2022

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Selbstbewusste Objekte? Blick auf Dinge durch das Fotogramm
Von Sarah Gramotke

Die fotografischen Bilder von Eleonora Arnold sind ohne Kamera entstanden. Es handelt sich vielmehr um Fotogramme, eine Spielart des Fotografischen, die in der Ausstellung außerdem durch Simon Ringelhan vertreten ist. Objekte werden wie bei einem Röntgenvorgang auf einer fotosensitiven Oberfläche dem Licht ausgesetzt. Wo kein Licht hinfällt, wird das Papier folglich nicht schwarz, sondern bleibt weiß. Das Licht erhellt nicht, sondern verdunkelt. Eleonora Arnold zeigt transluzide Rahmen mit in Flüssigkeit schwimmenden Herzen, silbrigen Glitzerpartikeln und Schnee, keine auf klassische oder gar normative Kunst verweisende Goldrahmen.  Der ebenfalls gezeigte barocke LED-Rahmen kommt ganz ohne Glanz daher. Sechs Lämpchen schlagen sich in rot-orangenen bis gelben Rahmeninhalt, innen wird ein sich hell abgesetzter Rahmen aufgeworfen. Dabei entfaltet er eine ganz eigene Aura. So werden die sich in ihrer Bedeutung aufspaltenden fotografischen Objekte vor Augen geführt, wie das Meer, das Simon Ringelhan mit Blitzlicht erst auf Fotopapier und dann in eine Holzkiste gebannt hat.

Welche Rolle kommt den fotografischen Objekten der Fotogramme Arnolds und Ringelhans zu? Der Fotopionier William Henry Fox Talbot war überzeugt davon, dass fotografische Objekte wie Gebäude von sich selbst mit Licht ein eigenes Bild malen. Wenn auch Menschen mit Bakterien einen sich ändernden Teil nichtmenschlicher Zellen beherbergen, warum sollte den Dingen dann ein Eigenleben abgesprochen werden? Solche, die den Fotogrammen das Element des Unvorhersehbaren hinzufügen?

Es fällt aufgrund Arnolds spielerischer Herangehensweise leicht, bei ihren Werken über die Art der Repräsentationen, den direkten Zugang zur physischen Welt, nachzudenken. Auch wenn das als erste erhaltene Fotografie bezeichnete Bild einen Ausblick aus dem Fenster zeigt, war die Realität schon immer zu komplex, um von Fotografien in einen Rahmen gefasst zu werden. So gesehen lässt sich von wortwörtlichen Rahmen auf metaphorische Rahmungen schließen, seien es Museen oder Diskursräume, in denen Auswahlprozesse wie Bilderrahmen oft unbemerkt bleiben. Was werden wir in Zukunft als »einrahmenswürdig« empfinden? Was macht uns Menschen aus und wie produzieren wir kulturelle Rahmungen, auch durch Fotografien?

Angesichts der aktuell gegenläufigen Entwicklung analoger Wiederkehr und digitaler Fotografie lässt sich Arnolds Arbeit als eine Hommage an die Fotogeschichte lesen, die zugleich in die Zukunft weist: Durch künstliche Intelligenz benötigt es zur Bildschaffung bald wohl keine Kameras oder andere Apparate mehr, kein die Fotografie definierendes Licht, keine Farbe oder Materialität, da aus einem großen KI-Archiv genau maßgeschneiderte Fotos geschöpft werden können. Selbst porträtieren kann sich eine KI jedoch nicht, da sich das Menschliche unwiderruflich eingeschrieben hat, wie auch in die Bilderrahmen. Fotogramme sind genauso auf Menschen angewiesen wie Algorithmen. So stellt sich die Frage, ob es nichtmenschliche Fotografie überhaupt geben kann, ebenso wie menschliche Fotografie.

Sarah Gramotke studiert seit 2021 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.