On Display: Annekathrin Müller über Larissa Zausers »Cumulus (Haufenwolken)«
Larissa Zauser: Cumulus (Haufenwolken), 2022. Installationsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.
Larissa Zauser: Cumulus (Haufenwolken), 2022. Installationsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.
Larissa Zauser: Cumulus (Haufenwolken), 2022. Installationsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: David Müller.
28.3.2022
»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.
Cumulus – diesseits und jenseits des latenten Bildes
Von Annekathrin Müller
Die Erfindung fotografischer Verfahren war eng mit dem Wunsch verbunden, mit Hilfe des Lichtes erzeugte Bilder haltbar zu machen und sie damit länger als für einen Augenblick sichtbar werden zu lassen. Lange bevor Louis Jacques Mandé Daguerre in Frankreich und William Henry Fox Talbot in England mit ihren 1839 veröffentlichten Methoden das Lichtbild zu fixieren wussten, spielten Bildprojektionen eine wichtige Rolle. Als Apparate hierfür kamen zum Beispiel die Camera Obscura und später die Laterna Magica zum Einsatz. Mit der Camera Obscura konnten die Bilder jedoch nur in dem technischen Körper, in dem sie erzeugt wurden, betrachtet werden. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts fanden beständige Lichtbilder große Verbreitung. Nachdem die ersten Schritte getan waren, bannte man sie fortan auf Trägermaterialien sehr unterschiedlicher Art.
Die Anordnung der Apparaturen in Larissa Zausers Arbeit »Cumulus (Haufenwolken)«, 2022, vereint Mechanismen der Projektion mit denen des Fixierens. In einer begehbaren Lochkamera wird über einen Spiegel jenes Bewegtbild umgeleitet, das außen vor der Kamera auf einem Flachbildschirm erscheint. Es trifft auf lichtempfindliches Papier eines leeren Buches, das im Inneren der Camera Obscura zur Belichtung ausgelegt ist. Im Anschluss an die Ausstellungslaufzeit wird Zauser die Buchseiten im Labor entwickeln – die entstandenen Belichtungen zeugen damit von dem Zeitraum, den wir gerade erleben. Auf diese Weise verwandelt sich ein bereits festgehaltenes Bild wieder in ein latentes, um schließlich erneut zu einer permanenten Erscheinungsform zu finden.
Zugleich umfasst die Arbeit mehrere, für uns heute geläufige Möglichkeiten zur Betrachtung von Fotografie: Neben die Wiedergabe digitaler Bilddateien auf einem Monitor sowie die Projektion tritt der klassische analoge Abzug auf Fotopapier, der zusätzlich in das Gewand des Fotobuchs gekleidet ist. Dass die auf dem Flachbildschirm wie Wolken vorüberziehenden Bewegtbilder von EarthTV.com stammen und – minimale Verzögerungen eingerechnet – den aktuellen Wetter-Status verschiedener Städte rund um den Globus in Echtzeit in den Ausstellungsraum streamen, ergänzt das ohnehin komplexe Verhältnis zwischen apparativ aufgezeichneter Realität und Zeit um weitere Ebenen.
Jean Baudrillard stellte fest, dass Digital- und Videobilder, die in Echtzeit ablaufen, nicht den diskreten Charme eines früheren Lebens hätten. Eigentlich sei es aber diese leichte Zeitverschiebung, die es dem Bild möglich mache, als solches zu existieren, als die von der realen Welt verschiedene Illusion. Larissa Zauser hat diese Modi in ihrer Komposition miteinander verwoben. Im Hinblick auf die Zukunft und neue technische Möglichkeiten ergeben sich in Anlehnung daran weitere Spekulationen zum Illusionscharakter apparativ generierter Bilder. Ich frage mich, ob sich auch imaginäre Bilder eines Tages projizieren lassen?
Annekathrin Müller studiert seit 2020 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.