Stopover 20/21: Xiaole Ju und Laura Niederhoff

11.3.2021

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Laura Niederhoff an Xiaole Jus Serie »UTC +2 & 1 Essen NRW«.

 

Hallo,
kennen wir uns? Haben wir uns nicht schon mal getroffen? Dort drüben am Hauptbahnhof bin ich jedenfalls oft umgestiegen auf meinem Weg von Rüttenscheid nach Zollverein. Da müssen wir uns über den Weg gelaufen sein. Ja, genau da! Essen, das führst du mir wieder vor Augen, war erst Liebe auf den zweiten Blick. Daran erinnere ich mich noch genau: Graue Straßen. Grauer Himmel. Aber dann: das UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein, wo das Quartier Nord der Folkwang Universität liegt. Oder die Rüttenscheider Straße, genannt Rü, mit ihren vielen Cafés, Bars und Imbissständen. In der Nähe das Folkwang Museum, die Philharmonie, das Aalto-Theater. Weiter im Süden noch liegen der Baldeneysee und die berühmte Villa Hügel. Aber ja, ich weiß! Das ist nicht das, was du mich sehen lassen willst. Du lenkst meinen Blick weg von den Klischees, weg von der Industrieromantik hin zum Alltag dieser Stadt. Auf die Bahnhöfe, die rot-weißen Straßenschilder und die unzähligen Kreisverkehre, die typisch sind für Essen. Und für deutsche Städte im Allgemeinen. Apropros Bahnhöfe: War es nicht Marc Augé, der in seinem Buch »Nicht-Orte« auf die flüchtige Raumkonstitution der Übermoderne verwies? »Paradoxon des Nicht-Ortes: Der Fremde, der sich in einem Land verirrt, das er nicht kennt (der ›durchreisende‹ Fremde), findet sich dort ausschließlich in der Anonymität der Autobahnen, Tankstellen, Einkaufszentren und Hotelketten wieder.« Manchmal habe ich mich verlaufen in der Stadt. Ich habe gehofft, dass sich unsere Wege kreuzen. Dann hätte ich dich angesprochen: Hallo, kennen wir uns?
Ortlose Grüße
Laura Niederhoff