Elisabeth Neudörfl: Out in the Streets

29.4.2021

In diesem Frühjahr zeigt Elisabeth Neudörfl, Professorin für Dokumentarfotografie, in der Galerie Barbara Wien erstmals ihre fotografische Serie »Out in the Streets«. Die Ausstellung eröffnet während des Gallery Weekends in Berlin und wird bis Anfang Juli zu sehen sein. Für die Ausstellung hat Neudörfl insgesamt 35 Fotografien ausgewählt, darüber hinaus erscheint im Juni bei Hatje Cantz ein Künstlerinnenbuch mit insgesamt 96 Bildern.

»Out in the Streets« ist eine umfassende fotografische Bestandsaufnahme des öffentlichen Stadtraums in Hongkong im Frühjahr 2020. Elisabeth Neudörfl reiste im Februar 2020 nach Hongkong, um den Zustand der Stadt nach dem Abflauen der Demokratiebewegung und am Beginn der Corona-Pandemie festzuhalten. Sie hat auf den Demonstrationsrouten und an den Universitäten fotografiert. Aber nicht nur hier, an den Orten der studentischen Proteste, auch in anderen Stadträumen erscheint Hongkong als dystopische Stadt: geschlossene Läden, Straßen ohne Verkehr, menschenleere Metrostationen. Vor allem Graffiti und übermalte Graffiti spiegeln die Auseinandersetzungen und die Veränderungen in der Stadt. Die Fotografien bezeugen einen Moment in der Geschichte Hongkongs – den gespenstischen Ausnahmezustand zwischen Protest und Pandemie.

Der historische Kontext Hongkongs wird in wenigen Bildern mit Fotografien der Kolonialarchitektur angedeutet; den Hauptteil bilden die Fotografien von Demonstrationsrouten und Universitätsgelände. Ein anderer Teil, sowohl in der Ausstellung als auch im Buch, sind ein Video und Standbilder, die zeigen, wie ein Kalligrafiepinsel die chinesischen Zeichen für Hongkong und ein Graffito aus dem Stadtraum schreibt. Neudörfl hat eine Actionkamera an dem Pinsel befestigt. Der Blick folgt dem Pinsel, der immer am rechten Rand ins Bild hineinragt. In dieser Versuchsanordnung prallen ganz unterschiedliche Momente aufeinander: Graffiti werden schnell geschrieben, möglichst unerkannt. Bei der Kalligrafie geht es um das präzise Setzen jedes einzelnen Strichs. Actionkameras werden für schnelle, spektakuläre, raumgreifende Bewegungen eingesetzt. Hier verlassen Pinsel und Kamera den Tisch mit dem Papier nicht, die Bewegungen sind langsam. Die Konzentration der Kalligrafie steht sowohl dem Ephemeren der Graffiti als auch der »Action« der Actionkamera entgegen. Das langsame Schreiben verweist auf die Bedeutung solcher Slogans und Texte, die für die Kommunikation im Stadtraum wichtig sind.