Das visuelle System der Staatssicherheit (1950–1989)
MfS-Fotografien und operative Bildlichkeit
Mit dem Ende der DDR und der Öffnung der Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für die Öffentlichkeit entstand die historisch seltene Möglichkeit zur Aufarbeitung einer geheimdienstlichen Institution als Stütze eines diktatorischen Regimes. In den Wirkungsjahren des MfS war die Fotografie ein »zentrales Arbeitsinstrument der Geheimpolizei« (Philipp Springer), das in den verschiedenen Facetten der Staatssicherheit als Auslands- wie Inlandsgeheimdienst, Geheimpolizei, Ermittlungsorgan und ministerielle Behörde eingesetzt wurde. Trotzdem bestehen in der fotohistorischen Aufarbeitung des Archivguts bislang noch große Lücken. Bisherige Ansätze, die vor allem die technischen Möglichkeiten des fotografischen Einsatzes und die qualitative Untersuchung von Einzelbildern oder kleineren Bildgruppen fokussierten, konnten bisher kaum systematische Erkenntnisse zum fotografischen Einsatz und dem visuellen System des MfS hervorbringen.
Das Dissertationsprojekt will diese Lücke schließen und schlägt einen Perspektivwechsel der Betrachtung vor. Anstelle qualitativer Ansätze fokussiert es den überlieferten Massenbestand von über zwei Millionen Fotodokumenten als solchen. Methodisch verbindet das Vorhaben den Analysebegriff der operativen Bilder mit der Position einer erweiterten Nachrichtendienstgeschichte. Der Ansatz fokussiert die Fotografien der Staatssicherheit abseits ihres konkreten Bildinhalts als Nutz- und Arbeitsbilder, die vor allem Prozesse strukturierten und antrieben. Damit einhergehend werden sie als Träger geheimen (Staats-)Wissens innerhalb eines hierarchisierten, bürokratischen Apparates und ihrem politischen Wirkungsfeld analysiert. Die Dissertation fragt nach der Rolle der MfS-Fotografie in der systematischen Verknüpfung von repressiven geheimpolizeilichen Handlungen und ihrer Wissens- und Bedeutungsproduktion. Wie prägten fotografische Bilder das politische Handeln des MfS? Wie strukturierten sie Prozesse innerhalb des Ministeriums? Welche Verkettungen von bildbasierten Operationen gab es? Und inwiefern evozierten fotografische Bilder eigene Regulationen, Normativitäten und Zwänge?
Projektbezogene Publikationen
Clara Mühle: Eine Kamera und ein Bier. »Innenansicht« aus dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR. In: Rundbrief Fotografie 29.3–4 (2022), S. 4–7.
Bearbeitungsbeginn
2024
Förderung
Das Promotionsvorhaben wird von der Gerda Henkel Stiftung gefördert.
Kontakt
clara.trivellato@folkwang-uni.de