Adrian Sauer: Foto Arbeiten

11.11.2020

Besprochen von Steffen Siegel

Als wir für unsere neue Website die Rubrik »Kritik« vorbereiteten, hatten wir dafür insgesamt drei Kategorien vorgesehen: Ausstellung, Fotobuch und Wissenschaft. Doch haben wir gewiss nicht damit gerechnet, einmal alle drei zugleich zu benötigen. Adrian Sauers Buch »Foto Arbeiten«, das gerade eben im Kerber Verlag erschienen ist, beweist nun jedoch das Gegenteil. Publiziert wurde es anlässlich einer Retrospektive auf Sauers reiches künstlerisches Werk, die vor wenigen Tagen im Oldenburger Kunstverein zu Ende gegangen ist. Konzipiert ist es aber nicht als ein anlassbezogener Katalog, sondern vielmehr als ein Künstlerbuch, das die temporäre Werkschau nun dauerhaft zwischen zwei Buchdeckeln sichert.

Mehr als zehn Jahre sind inzwischen vergangen, seit Adrian Sauer in sogleich drei schmalen Bänden seine viel beachtete Arbeit »16.777.216 Farben« auch als Buch publizierte. Wie bereits seinerzeit hat Sauer auch dieses Mal mit der Gestalterin Anna Lena von Helldorff zusammengearbeitet –– und das Ergebnis ist neuerlich hervorragend. Doch geht er mit »Foto Arbeiten« nun einen anderen Weg: Nicht eine einzelne Werkgruppe steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern eine über einzelne Werke hinausgreifende Fragestellung; und mit ihr ein künstlerisches Verfahren, das in Form von Bildern zu Antworten gelangt.

Es hat sich herumgesprochen, dass Sauer wie kaum ein zweiter Fotokünstler ebenso hartnäckig wie konsequent den Möglichkeiten und Grenzen digitaler Bildlichkeit nachgeht – ihren Produktionsweisen, Zeigeformen und Gebrauchszusammenhängen. Ohne den Anspruch zu erheben, wissenschaftliche Aussagen zu treffen, zielen seine im Bild (und meist in Bildserien) formulierten Thesen aber doch auf gerade jene Fragen, die in den wissenschaftlichen Debatten unserer Gegenwart geführt werden, wenn es um Digitalität und CGI geht, um Wahrheitsansprüche und Bilderskepsis. Sauers Buch war wirklich überfällig, denn endlich ist damit ein Kompendium zur Hand, das die Vielfalt seiner künstlerischen Antworten auf mehr als 250 Seiten zusammenführt.

In einem Anhang werden überdies alle Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen aus inzwischen fast zwei Jahrzehnten minutiös aufgelistet. Darunter befindet sich natürlich auch »Über die Sprachen der Fotografie – eine Möglichkeit«, die Sauer auf Einladung von Elke Seeger im Rahmen des Festivals »Try again, fail again, fail better – Impuls Bauhaus« einrichtete und die im vergangenen Jahr bei uns an der Folkwang Universität der Künste im SANAA-Gebäude zu sehen war. Diese Ausstellung wird in einem eigenen Kapitel umfassend vorgestellt. Schließlich lässt sich, von »AGB« bis »User/Consumer«, auch jenes Glossar vollständig nachlesen, das in Essen seinerzeit akustisch präsent war.

Als Künstler muss Adrian Sauer gewiss nicht erst noch entdeckt werden. Dennoch kommt sein neues Buch gerade zur rechten Zeit. Denn mit ihm werden Vielfalt wie Aktualität seines Werks in ihrem Zusammenhang verständlich gemacht –– der Titel des Buches spricht es deutlich genug aus: als eine fortgesetzte Arbeit an den Grundlagen fotografischer Bildlichkeit.

Adrian Sauer: Foto Arbeiten, hrsg. von Galerie Klemm’s (Berlin) und Galería Helga de Alvear (Madrid), Berlin, Heidelberg (Kerber Verlag) 2020. 256 Seiten, Hardcover, 18,7 × 25,7 cm, 616 farbige und 85 s/w Abbildungen, ISBN 978-3-7356-0720-1.