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Michael Paul Romstöcks »zur Linde« erschienen

Michael Paul Romstöck: zur Linde, Dortmund (Kettler Verlag) 2021.

Vor wenigen Monaten erst hat Michael Paul Romstöck mit seinem Projekt »zur Linde« an der Folkwang Universität der Künste den M.A. Photography Studies and Practice erfolgreich abgeschlossen. Nun ist seine fotografische Befragung zur Symbolik und Bedeutung der Linde im Kettler Verlag als Buch erschienen. Die Bildtafeln sind im Duoton-Verfahren gedruckt. Das Hardcover-Buch im Format 21 × 25 cm umfasst 144 Seiten und ist ab sofort im Buchhandel erhältlich! ISBN: 978-3-86206-882-1.

In der Ankündigung des Dortmunder Verlags heißt es: Die Linde ist im deutschen Kulturraum als Ort der Gemeinschaft und Chiffre der Gerechtigkeit und Liebe verankert. Man begegnet ihr als Dorf-, Gerichts- und Friedhofslinde oder als Motiv in Kunst und Literatur. In gleicher Weise hat sich der Lindenbaum – losgelöst von Brauchtum und Folklore – in den gesellschaftlichen Alltag eingeschrieben: als Ortsbeschreibung, TV-Serie oder Mittel zur Stadtbegrünung. In seinem Buch geht der Fotograf Michael Romstöck der Bedeutung der Linde nach – vom Schauplatz vorchristlicher Versammlungen über den romantischen Blick auf die Natur bis hin zu ideologischen Vereinnahmungen. Mit der analogen Großformatkamera hat Romstöck in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren über 60 Orte in der Bundesrepublik aufgesucht, an denen sich entweder ein kulturhistorisch konnotierter Lindenbaum selbst oder ein anderer Bezug zur Symbolik der Linde auffinden lässt. Aus einer Bestandsaufnahme heraus kombiniert Romstöck verschiedene Motive, Bildtypen und Textfragmente zu einer essayistischen Erzählung: Aus welchen Gründen errichteten frühere Generationen (Natur-)Denkmäler und wie gehen wir langfristig mit ihnen um? Wie bestehen und verhalten sich diese in der heutigen, sich rasant verändernden Welt? Was können sie uns mitteilen und was verraten sie über uns?

Christopher Muller: With Ice and Lemon

Christopher Muller: Plastic Bottles, 2019, 41 × 56 cm, Digital C-Print / gerahmt.

Vom 23. Februar bis zum 11. Mai 2021 stellt Christopher Muller, Professor für künstlerische Fotografie, im Künstlerverein Malkasten im Düsseldorf neue Arbeiten aus. Zwar heißt die Ausstellung »With Ice and Lemon«, allerdings dürfen die Drinks aus bekanntem Anlass derzeit leider nicht vor Ort genossen werden. Eine Besichtigung ist nach telefonische Vereinbarung unter 0211.356471 möglich. Es gelten die zur Zeit üblichen Hygiene- und Abstandsregelungen und die aktuelle Corona-SchutzVerordnung des Landes Nordrhein-Westfalen.

Künstlerverein Malkasten
Jacobistraße 6a
40211 Düsseldorf
info@malkasten.org
Website des Künstlervereins
                

Soeben erschienen: Candide No. 12

Soeben ist die 12. Ausgabe von »Candide. Zeitschrift für Architekturwissen« erschienen. Das Themenheft wurde von Axel Sowa und Ela Kaçel herausgegeben. Es enthält Texte von Roman Bezjak, Nicholas Boyarsky, Lard Buurman, Davide Deriu, Alexa Färber, Ela Kacel, Markus Lanz, Bettina Lockemann, Clare Melhuish, Birgit Schillak-Hammers, Mary N. Woods sowie – nicht zuletzt – von Elisabeth Neudörfl, Professorin für Dokumentarfotografie an der Folkwang Universität der Künste. Ihr Beitrag trägt den Titel »Photographer’s Dilemma: ›Good‹ Photography vs. ›Good‹ Planning‹. Ein Abstract zu diesem Artikel findet sich hier.

In der Ankündigung des Verlags heißt es zu dieser Nummer der Zeitschrift: Die zwölfte Ausgabe von »Candide« widmet sich dem Thema »Visual Urbanism« – ein vollkommen neues Forschungsfeld. Fotograf*innen und Wissenschaftler*innen experimentierten mit anthropologischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen und geografischen Methoden, für eine Reflexion über die meist unkritische Nutzung von Bildern des öffentlichen Raums. »Candide« 12 sucht Möglichkeiten, diese Ergebnisse in Architektur und Stadtplanung zu integriert. Dabei beantworten Autor*innen drängende Fragen, wie nach der Nutzbarmachung fotografischer Bilder für die Architektur und vice versa.

Stopover 20 21 – der Katalog

STOPOVER, 2020. Broschüre, 12 × 27 cm, 60 Seiten, Auflage von 500 Exemplaren. Gestaltung: Mathias Fleck. Foto: Samuel Solazzo

Sobald die Museen wieder öffnen dürfen, wird auch »Stopover 20 21« im Museum Folkwang endlich zu sehen sein. Endlich – denn die Ausstellung ist bereits bereit Anfang Dezember 2020 fix und fertig installiert! Immerhin aber bietet der Katalog eine kleine Preview auf die aktuellen Arbeiten der Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice. Begleitet werden diese Bilder von Texten, die von den Studierenden im M.A. Photography Studies and Research als ganz persönliche Briefe an die Kunstwerke geschrieben worden sind. In den kommenden Wochen werden wir sie in der Rubrik Kritik auf dieser Website nach und nach veröffentlichen. Wer den ganzen Katalog sofort in den Händen halten will, kann bei Dorothea Frink ein Exemplar bestellen.

Die besonderen Bedingungen, unter denen diese aktuelle Ausgabe unserer jährlichen Ausstellung im Museum Folkwang entstanden ist, betont auch Judith Böttger in ihrer Einleitung zum Katalog:

Wenn im allgemeinen Sprachgebrauch von einem »Stopover« die Rede ist, dann handelt es sich um einen Zwischenhalt, dessen Dauer nicht bereits qua Definition festgelegt ist. Er kann geplant sein oder überraschend kommen, kann zum sich Sammeln oder sich Verlieren führen, schnell vorübergehen oder sich in die Länge ziehen. Bereits zum sechsten Mal in Folge ermöglicht die Stopover-Ausstellung im Untergeschoss des Museum Folkwang für Studierende des Masterstudiengangs »Photography Studies and Practice« der Folkwang Universität der Künste die Erprobung des Umgangs mit dem musealen Raum. Sie stellt nicht die Endstation eines künstlerischen Werkprozesses, sondern eben jenen Zwischenhalt dar. Die gezeigten Arbeiten und künstlerischen Positionen sind noch am Entstehen und Reifen, das Prozesshafte der Fotografie und des fotografischen Werdegangs werden offengelegt und betont.

2020 ist wohl das Jahr der ungeplanten und langen Zwischenhalte. Dass das gesellschaftliche Leben, die globale Wirtschaft, und besonders die Kunst- und Kulturszene in eine ausführliche Atempause gezwungen werden, hätte im letzten Jahr wohl noch niemand erwartet. Diese Pause künstlerisch produktiv zu machen, nach neuen Wegen zu suchen, mit der Welt in Kontakt zu treten, stellte sich als eine der großen Herausforderungen in der Vorbereitung der diesjährigen Ausstellung heraus. Sie schreibt sich unwiderruflich in die gezeigten fotografischen Arbeiten ein: Der Zugang zu geplanten Bildmotiven, zu Materialien und fotografischen Werkstätten war und ist eingeschränkt, das einzuholende Feedback meist nur medial vermittelt möglich. Die Frage danach, was »Kontakt« bedeutet, ist aus fotografischen Arbeitsprozessen 2020 nicht mehr wegzudenken.

So versteht sich die aktuelle Ausstellung als ein Ort des versuchten Gesprächs, der Kontaktaufnahme, zwischen KünstlerInnen und einer sich verändernden Welt, zwischen verschiedenen Bildformen, zwischen Fotografien und dem Raum, sowie zwischen BesucherInnen und Ausstellenden. Dies geschieht in dem Wissen um die Fragilität jeder Begegnung. Das Gespräch wird in diesem Katalog weitergeführt. Der Kunsthistoriker W.J.T. Mitchell postuliert  in »What do Pictures want?« (2005) eine gewisse Handlungsfähigkeit von Bildern. Sie können uns affizieren, zu uns sprechen. Diesem Gedanken folgend nehmen Studierende des Studiengangs »Photography Studies and Research« in Form von kurzen Briefen persönlichen Kontakt mit den Fotografien ihrer KommilitonInnen auf. Sie geben Einblick in das Moment der Bildbegegnung, in das Verweilen vor und mit den Bildern. Dabei werden nicht die KünstlerInnen, sondern die Fotografien selbst als Gegenüber adressiert. So spiegeln Sehen und Affekt, Text und Bild, Produzieren und Reflektieren das Tandem der beiden Masterstudiengänge.

Digitaler Informationstag für alle B.A. und M.A.-Studiengänge

Am 5. Februar 2021 findet zwischen 14 und 18 Uhr der nächste Informationstag für alle Studiengänge am Fachbereich Gestaltung statt – aus gegebenem Anlass dieses Mal natürlich online! Vorgestellt wird die ganze, bei uns im Quartier Nord unterrichtete Vielfalt von Disziplinen: Fotografie, Industrial Design und Kommunikationsdesign, jeweils in Bachelor- und Master-Programmen; nicht zuletzt aber auch die beiden wissenschaftlichen Master-Programme zu Theorie und Geschichte der Fotografie sowie zu Kunst- und Designwissenschaft. Das genaue Programm für den Informationstag und die Informationen zum entsprechenden Online-Portal werden wir in wenigen Tagen hier veröffentlichen.

Darüber hinaus werden zwischen 16 und 18 Uhr Termine für eine Online-Mappenberatung angeboten. Hierfür ist eine Anmeldung bei Sonja Zenker (sonja.zenker@folkwang-uni.de) erforderlich. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Studienplätze in den drei Studiengängen Fotografie (Bachelor of Arts), Photography Studies and Practice (Master of Arts) und Photography Studies and Research (Master of Arts) werden dieses Jahr zum 15. März 2021 (BA Fotografie und MA Photography Studies and Practice) sowie zum 31. Mai 2021 (MA Photography Studies and Research) ausgeschrieben. Das Aufnahmeverfahren wird im Frühjahr stattfinden. Studienbeginn ist das Wintersemester. Alle Informationen zu den Anforderungen in den Bewerbungsverfahren und ihrem Verlauf, zu den Prüfungsordnungen und Modulhandbüchern sowie zu den genauen Terminen finden sich hier zusammengefasst.

Fotorestaurierung in Praxis und Lehre

Sammlung Matthias Gründig.

Die vier Partnerinstitutionen des Zentrums für Fotografie Essen – Folkwang Universität der Künste, Museum Folkwang, Historisches Archiv Krupp und Stiftung Ruhr Museum – bauen ihre Zusammenarbeit im Bereich Restaurierung und Konservierung von Fotografie weiter aus. Die Stadt Essen richtet mit Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung am Museum Folkwang ein institutsübergreifendes Fotorestaurierungsstudio ein, das zukünftig die umfangreichen fotografischen Bestände der Partnerinstitutionen sichern und aufarbeiten sowie für die Zwecke von Wissenschaft und Lehre verfügbar machen wird. Eine Presseerklärung des Zentrums für Fotografie Essen findet sich hier.

Für die neu geschaffenen Fotorestaurierungsstellen konnten die international renommierten Expertinnen und Experten Jessica Morhard und Peter Konarzewski gewonnen werden.

Das neu eingerichtete Studio und die Besetzung der Fotorestaurierung im Museum Folkwang sind wichtige Schritte zum Erhalt und Ausbau der fotografischen Sammlungen sowie zum Ausbau des Forschungsbereichs »Fotografische Materialitäten« an der Folkwang Universität der Künste. Neben der Konservierung und Pflege der umfangreichen, klassischen analogen Bestände treten bei allen Institutionen zukünftig auch Fragen in den Mittelpunkt, die den Erhalt von digitalen Konvoluten umfassen werden. Hier setzt die Arbeit der neuen Fachabteilung als Kompetenzzentrum an, sie forscht und entwickelt zukunftsweisende Standards und stellt den Wissenstransfer zwischen Fotorestaurierung, künstlerischer Praxis sowie Theorie und Geschichte der Fotografie sicher.

Insbesondere auch für die Studierenden der Folkwang Universität sind dies hervorragende Nachrichten: Künftig wird in jedem Semester die Abteilung Fotorestaurierung mit mindestens einer Lehrveranstaltung präsent sein. Diese Verknüpfung von Praxis und Lehre stellt ein Novum an einer Hochschule im deutschsprachigen Raum dar.

Galerie 52 im Wintersemester 2020/2021

  • 6.–14.11.2020
  • »The Afternoon of the Day«
  • Sora Park
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  • 20.–27.11.2020
  • »Die abstrakte Wahrheit«
  • Hao Wen
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  • 7.–11.12.2020
  • »Solid State«
  • Ruth Magers & Julius Barghop
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  • 16.12.2020–8.1.2021
  • »being on concrete«
  • Jana Schulz
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  • 15.1.–22.1.2021
  • »drei Sterne Plus; Zuchtklasse 1.«
  • Inga Barnick
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  • »How to Pose the Model«
  • David Müller
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  • ab 29.1.2021
  • »Baron«
  • Simon Baptist
     

Wegen der Corona-Maßnahmen können in diesem Semester keine Ausstellungseröffnungen und öffentlichen Künstler*innengespräche in der Galerie stattfinden. Die Ausstellungen sind jedoch für Studierende von Montag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Statt eines öffentlichen Künstler*innengesprächs wird ein Podcast zu jeder Ausstellung auf der Website hochgeladen.

Besucher*innen der Galerie müssen sich an den derzeitigen Hygienemaßnahmen im Quartier Nord halten. Besucher*innen von außerhalb der Hochschule müssen sich im Vorfeld unter galerie52@folkwang-uni.de anmelden, um einen Termin zu vereinbaren.
 

Jonas Kamm ist für den Louis Roederer Discovery Award der Rencontres d’Arles nominiert

Jonas Kamm: DAVE, DEE & DOZY, 2020.

Jonas Kamm, der im vergangenen Jahr an der Folkwang Universität der Künste im Studiengang Fotografie seinen Bachelor of Arts erworben hat, wurde für den Louis Roederer Discovery Award nominiert. Gemeinsam mit zehn weiteren Künstlerinnen und Künstlern aus insgesamt neun Ländern steht er damit auf der Short List dieses Preises. Neben Deutschland stammen sie aus Frankreich, Georgia, Peru, Polen, der Tschechischen Republik, der Türkei, den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie alle werden im Rahmen der diesjährigen Rencontres d’Arles im Rahmen einer Gruppenausstellung gezeigt werden. In der Eröffnungswoche vom 5. bis zum 12. Juli 2021 wird neben dem mit 15.000 Euro dotierten Discovery Award auch ein mit 5.000 Euro dotierter Publikumspreis verliehen werden. Ausführlichere Informationen finden sich hier.

Inga Barnick: »parade ground, open space – [a review of Maidan]«

Inga Barnick: »parade ground, open space – [a review of Maidan]«, 2020.

Mit ihrer Arbeit »parade ground, open space – [a review of Maidan]« hat Inga Barnick erfolgreich ihr Studium im M.A. Photography Studies and Practice abgeschlossen.

Sie selbst schreibt über ihre Arbeit: Es handelt sich um eine fotografische Untersuchung des Majdan Nesaleschnosti, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, der in der Vergangenheit vor allem wegen der dortigen Proteste (Orange Revolution, Euromajdan) in den internationalen Medien präsent war. Der architektonische Raum des Platzes — wörtlich bedeutet »Majdan« offener freier Platz — wird im Bezug auf seine gegenwärtige Nutzung, Wahrnehmung und Gestaltung sowie historisch-politischen Ereignissen visuell verhandelt. Das Erscheinungsbild und der Name des Platzes haben sich stets in Korrespondenz zur herrschenden Ordnung gewandelt.

Der Platz ist als visuelles Erlebnis angelegt und inszeniert. Er beruht auf einem geplanten Bildeindruck und ist auf die mediale Reproduktion angewiesen. In der räumlichen Beobachtung drängt sich indes eine andere Alltagsroutine auf: eine breite, geschäftige Haupt-/Paradenstraße zerteilt den Platz. Im Mantel dekorativer Gestaltung versperren Architekturelemente die Sicht. Nicht-Orte offenbaren sich: Durchgänge, Untergrundpassagen, Café- und Fast Food-Ketten. Unausweichlich hebt sich aus dem Untergrund eine Shopping Mall empor. Ein Platz im Sinne der wörtlichen Übersetzung »Maidan — open space« ist nicht ersichtlich, vielmehr bedarf es immer den Gang durch den Untergrund um ihn zu »überqueren«. Wo ist also diese Idee von Platz, von freiem Raum?

Das Buch erschien 2020 bei On Retinae Books in Essen in einer Auflage von 35 Exemplaren. Es umfasst 100 Seiten sowie im Anhang einen Index (Anhang). Fadengeheftete Broschur (Papierwechsel glossy/natural), Softcover (Leinenpapier 300 g) im Format 29,4 × 20,4 cm.

Anja Segermann: MEMBRA DISIECTA

Anja Segermann: MEMBRA DISIECTA, 2020. Buch, 21,5 × 28 cm, 96 Seiten, Auflage von 15 nummerierten Exemplaren.

Mit ihrer Arbeit MEMBRA DISIECTA hat Anja Segermann vor Kurzem an der Folkwang Universität ihr Bachelor-Studium Fotografie erfolgreich abgeschlossen. Die Arbeit besteht aus einem 96-seitigen Fotobuch mit 49 Fotografien. Zur Idee von MEMBRA DISIECTA schreibt sie selbst:

So vielseitig wie der Umgang mit dem Medium Fotografie sein kann, so vielfältig können auch die Erscheinungsformen des Wassers wahrgenommen werden. Sechs Monate intensiver Untersuchung von Wasser und seiner Zeichenhaftigkeit liegen zurück. In MEMBRA DISIECTA (lat. »zerstreute Glieder«) werden Bilder, die zunächst einzelne Fragmente eines umfangreichen Systems von Mensch und Umwelt darstellen, zusammengetragen. Das Konvolut öffnet verschiedene Spannungsfelder und lässt eigene Wechselwirkungen entstehen: zwischen Erwartung und Sichtbarkeit, zwischen Globalität und Regionalität sowie zwischen Vergangenheit und Zukunft. Auf der Suche nach Möglichkeiten, mit Fotografie dem alltäglichen Leben neu zu begegnen, wurden landwirtschaftliche Aspekte genauso wie Wetterphänomene oder Freizeitanlagen dokumentiert. Dabei liegt der Fokus auf der Vielschichtigkeit der visuellen Wahrnehmung und dem damit einhergehenden Perspektivwechsel.

Steffen Siegel joins the editorial advisory board of »Photographies«

At the beginning of the new year, and with volume 14, Steffen Siegel will join the editorial advisory board of »Photographies«.

Since 2008, the scholarly journal has been published three times a year, both in print and online, by Taylor & Francis. »Photographies« is a leading periodical for the theory and history of photography, edited by David Bate (University of Westminster, Great Britain) and Liz Wells (Plymouth University, Great Britain). All contributions featured in »Photographies« are subject to a peer-review process.

As a newly appointed member of the advisory board, Steffen Siegel hopes to bridge current research particularly from the German-speaking countries with the journal. From 2021 onwards, each issue of »Photographies« will provide more space for contributions than was previously the case.

Michael Romstöck: »Zur Linde«

Michael Romstöck: Zur Linde, 2020. Ausstellungsansicht im Quartier Nord.

Mit einer fotografischen Befragung zur Symbolik und Bedeutung der Linde hat Michael Romstöck im November 2020 erfolgreich sein Studium im M.A. Photography Studies and Practice abgeschlossen.

Zur Idee seines Abschlussprojekts schreibt er selbst: Die Linde ist im deutschen Kulturraum als Ort der Gemeinschaft und Chiffre der Gerechtigkeit und Liebe verankert. Man begegnet ihr als Dorf-, Gerichts- und Friedhofslinde oder als Motiv in Kunst und Literatur. In gleicher Weise hat sich der Lindenbaum – losgelöst von Brauchtum und Folklore – in den gesellschaftlichen Alltag eingeschrieben: als Ortsbeschreibung, TV-Serie oder Mittel zur Stadtbegrünung.

In »Zur Linde« gehe ich der Bedeutung der Linde nach – vom Schauplatz vorchristlicher Versammlungen, über den romantischen Blick auf die Natur, bis hin zu ideologischen Vereinnahmungen. Mit der analogen Großformatkamera habe ich dabei in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren über 60 Orte in der Bundesrepublik aufgesucht, an denen sich entweder ein kulturhistorisch konnotierter Lindenbaum selbst oder ein anderer Bezug zur Symbolik der Linde auffinden lässt.

Anhand dieser Bestandsaufnahme kombiniere ich verschiedene Motive, Bildtypen und Textfragmente zu einer essayistischen Erzählung: Aus welchen Gründen errichteten frühere Generationen (Natur-)Denkmäler und wie gehen wir langfristig mit ihnen um? Wie bestehen und verhalten sich diese in einer sich rasant verändernden Welt heute? Was können sie uns mitteilen und was verraten sie über uns?

edtalk: #FreeRenty

Am 11. Dezember 2020 veranstaltet die Studierenden-Initiative »edk – Ende der Kunstgeschichte« einen Themenabend zu »#FreeRenty – Über das koloniale Erbe der Fotografie«. Hierfür hat die Initiative Steffen Siegel als Diskussionspartner eingeladen.

Untrennbar ist die Fotogeschichte des 19. Jahrhunderts mit rassistischer Gewalt verbunden. Aktuelle Diskussionen um die frühesten bekannten Aufnahmen von Sklav*innen in den USA aus dem Besitz der Harvard University zeigen, dass diese Fragen nichts an Aktualität verloren haben. Bilder des versklavten afroamerikanischen Mannes Renty und seiner Tochter Delia werden seitens der Universität seit Jahrzehnten auf Konferenzen besprochen, mit Copyright versehen und in Publikationen abgedruckt – Tamara Lanier, eine Nachfahrin Rentys, fordert jetzt gemeinsam mit Unterstützer*innen der Kampagne »Free Renty«, dass diese nicht mehr von anderen verbreitet werden und in den Familienbesitz zurückkehren.

Hierin knüpfen sich für die Rezeption von und die Forschung zu Fotografien dringliche Fragen: Wann werden heutige Betrachter*innen zu Kompliz*innen kolonialer Gewalt? Wie kann die Wissenschaft mit Porträts umgehen, die wider den Willen der Abgebildeten aufgenommen wurden?

Die Veranstaltung wird online stattfinden. Nach Anmeldung unter endederkunstgeschichte@web.de wird ein Zoom-Link zugesendet.

Ruth Magers & Julius Barghop: Solid State

Zum Abschluss dieses Jahres eröffneten Julius Barghop und Ruth Magers – beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im B.A. Fotografie – in der Galerie 52 ihre gemeinsame Ausstellung »Solid State«. Sie selbst schreiben zur Idee ihrer Show: Der Philosoph Marcus Steinweg schreibt in seinem Artikel »Freedom Panics«: »Jedes Denken – sei es künstlerisch, wissenschaftlich – artikuliert sich in Kontexten statt im luftleeren Raum.« Es geht also um die Frage nach der Definition des Verhältnisses zum Gegebenen; nach dem, was uns umgibt, uns umtreibt, uns beschäftigt. Jede künstlerische Praxis ist gleichsam eine Reaktion, eine Annäherung und ein Entgegenstellen dem gegenüber, was wir als Realität begreifen. Eine Realität, von der wir ausgehend, in einen gemeinsamen Dialog treten.

Solid State bezeichnet den festen Zustand der Materie. Die Atome oder Moleküle eines Stoffes nehmen feste Positionen zueinander ein und können sich nicht frei bewegen. Doch Stoffe können ihren Zustand verändern. Dabei wandelt sich allerdings nur das Aussehen, die Erscheinung des Stoffes. Der grundlegende Aufbau des Stoffes, seine chemische Zusammensetzung bleibt unverändert. So lautet auch der Titel unserer ersten gemeinsamen Ausstellung, des ersten Versuchs einer Annäherung unser beide eigentlich so verschiedenen Arbeitsweisen. Doch so unterschiedlich unser Interesse an der Fotografie auf den ersten Blick wirkt, so interessant schien uns eine gemeinsame Auseinandersetzung, die gleichsam als Suche nach einer möglichen Schnittstelle unser beider Arbeiten begriffen werden kann. Die Ausstellung zeigt neue und alte, gemeinsame und eigene Arbeiten.

Uns interessiert, was passiert, wenn verschiedene Interessen und Methoden aufeinander stoßen. Die Ausstellung ist ein Raum zum Experimentieren. Ein Raum, um sich gegenseitig zu inspirieren und die Grenzen der eigenen Arbeit auszuloten. Die Grundlage für unseren Dialog ist das Betrachten der Welt, die Lust am Schauen. Die in den Fotografien gezeigten Objekte, Formen oder Konstruktionen bleiben eben nicht fest; sie bewegen sich, verändern sich, treten in Beziehung zu einander. Wir ließen uns intuitiv durch die Arbeit am Bild leiten, ohne eine konkrete Vorstellung davon zu haben, wie das Endergebnis auszusehen hat. Nach und nach schälte sich das heraus, was wir weniger als Konzept begreifen würden, sondern vielmehr als die Beschäftigung mit dem Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und Modell, zwischen analog und digital, zwischen Realität und Fiktion.

Porträt der nordrhein-westfälischen Kunsthochschulen

Vor wenigen Wochen wurde der diesjährige NRW.BANK Kunstpreis verliehen. Unter den Preisträgern ist Folkwang-Alumnus Kai Behrendt, dem in der Kategorie »Skulptur und Installation« für seine Arbeit UNTITLED (LASER ETCHINGS) die Auszeichnung zugesprochen wurde. Anlässlich der Preisverleihung wurde ein kurzer Film produziert, der alle teilnehmenden Kunsthochschulen aus Nordrhein-Westfalen vorstellt – unter ihnen die Folkwang Universität der Künste. Im Film gibt Elke Seeger, Professorin für Fotografie und Konzeption und Prorektorin unserer Hochschule, über die Idee unserer Studienprogramme Auskunft. Der von STEFAN VOBIS FILM produzierte Film ist hier abrufbar.

Franziska Schrödinger: Über die Deutsche Alpenstraße

Franziska Schrödinger: Über die Deutsche Alpenstraße, 2020. Buch, 20,5 × 26,5 cm, 92 Seiten, Auflage von 25 nummerierten Exemplaren.

Die Arbeit »Über die Deutsche Alpenstraße – Vom Erfinden des Steinschlags« widmet sich der 484 km langen Ferienstraße, die nördlich der Alpen durch das Allgäu und das bayerische Oberland führt. Von diesem Schauplatz aus startet eine intensive Auseinandersetzung mit der Region und mit den Mechanismen des Landschaftsbildes. Der Ausgangspunkt der dokumentarisch-basierten Bildern ist der Umgang mit der Natur, sowie die visuelle Darlegung von Spuren verschiedener Grade des kontrollierenden Eingriffs. Im November 2020 hat Franziska Schrödinger mit dieser Arbeit ihr Studium im Master-Programm Photography Studies and Practice an der Folkwang Universität der Künste erfolgreich abgeschlossen.

Motivisch widmet sich die Arbeit vordergründig Kunststoffen und Metallverbauungen – also Materialien, die in ihren pragmatischen Schutzfunktionen oftmals als visuelle Störung empfunden werden. Mit ihren Bildern triggert Schrödinger Vorstellungen von Landschaftsbildern, um diese dann zu brechen. Mittel für diesen Bruch sind eine flache Wirkung der Bilder, die sich aus künstlichem Licht, der regionalen Topografie, aber auch fotografischen Mitteln wie Anschnitte und Perspektive ergeben. Auch einer zeitlosen, kontemplativen Atmosphäre von Naturbetrachtung verweigert sich die Arbeit.

Der lakonische bis humorvolle Blick arbeitet sich inhaltlich an Themen wie Landwirtschaft, Wintersport oder Industrie ab. Viele große Ereignisse deutscher Geschichte spiegeln sich in der Voralpenregion: Vom Übergang der bäuerlichen Landwirtschaft zur Industriegesellschaft, vom Nazi-Propaganda-Bild (wie im Garmischer Olympiastadion) bis zum Wirtschaftswunder. Die letzten beiden spiegeln sich besonders an der Deutschen Alpenstraße. Denn sie wurde in den 1930er-Jahren ausgebaut und auf ihr wurde ab den 1950er-Jahren der neue Luxus der Individual-Mobilität zelebriert.

Das Bedrohungsverhältnis Mensch – Natur hat sich mit dem Eintritt ins Anthropozän umgekehrt. Im sensiblen Lebensraum der Alpen schreitet der Klimawandel doppelt so schnell voran wie im globalen Durchschnitt. Kann man dort auch Spuren finden, um unsere Gegenwart zu verstehen? Wird die basale Frage nach Wasser und bröckelnden Bergen – neben KI und Pandemie – eine Frage unsere Zeit gewesen sein?

Interview mit Ulrich Domröse

Ulrich Domröse, Jahrgang 1955, begann in den 1980er Jahren DDR-Fotokunst zu sammeln, damals noch im Auftrag des Vereins Bildender Künstler VBK, später auf eigene Rechnung. Im Sommer 1990 ging seine längst bedeutende Sammlung dann in den Bestand der Berlinischen Galerie über, bei der Ulrich Domröse 1991 als Kurator anheuerte. Nach dreißig erfolgreichen Jahren mit wichtigen Erwerbungen und viel beachteten Ausstellungen geht er nun, längst auch Leiter der Fotografischen Sammlung, in den Ruhestand. Aus diesem Anlass sprach er mit Steffen Siegel und blickte auf seine Tätigkeit an der Berlinischen Galerie zurück. Das Interview erschien in der tageszeitung (taz) vom 30. November 2020 und ist dort auf der Website sowie hier als PDF abrufbar.

Interview zum Ende der photokina

Nach sieben Jahrzehnten wird die traditionsreiche Foto- und Videomesse »photokina« nicht mehr fortgesetzt. Laut Koelnmesse werde die Veranstaltung »bis auf Weiteres ausgesetzt«, was wohl einem endgültigen Aus gleichkommen wird. Anlässlich dieser Nachricht sprach Jörg Biesler vom Deutschlandfunk für »Kultur heute« mit Steffen Siegel. Das Interview ist auf der Homepage des Senders abrufbar.

Hao Wen: Die abstrakte Wahrheit

Hao Wen: Die abstrakte Wahrheit, Ausstellungsansicht in der Galerie 52, 2020.

Hao Wen, Student im M.A. Photography Studies and Practice, setzt mit seiner Ausstellung »Die abstrakte Wahrheit« das Programm der Galerie 52 im laufenden Wintersemester 2020/2021 fort.

Zur Idee seiner Ausstellung schreibt er selbst: »Ich zeige die drei Arbeiten »Ohne Titel«, »Die Spur« und »二0二0«. Mit ihnen verfolge ich unterschiedliche Ansätze, um die Beziehung zwischen Fotografie und Wahrheit zu überprüfen. Mein Verständnis der Fotografie hat sich im Laufe meines Studiums immer weiterentwickelt und verändert, wobei sich neue Fragestellungen ergeben haben. Worin liegt diese Wahrheit? Hat Fotografie einen Beweischarakter? Ist es die Entsprechung zwischen dem mimetischen fotografischen Abbild und dem Erscheinungsbild der dreidimensionalen Wirklichkeit? Liegt die Wahrheit in dem indexikalischen Bezug der Fotografie zu der sie auslösenden Wirklichkeit? Ist Fotografie eine Gedankenstütze, die meinen Erinnerungen konkrete Form verleiht? Das unterschiedliche Verständnis der Wahrheit bestimmt maßgeblich was und wie ich es aufnehme.

Das Bildpaar »Ohne Titel« besteht aus zwei Fotografien, die ich durch ein Zugfenster fotografiert habe, ohne durch den Sucher der Kamera zu schauen. Wegen der Geschwindigkeit des Zuges enthält jedes Foto abstrakte horizontale Linien. Trotzdem kann ich mich erinnern, was ich im Moment des Fotografierens gesehen habe – ein Gebäude, eine Brücke und einen Fluss.

In der Arbeit »Die Spur« untersuche ich den Kontext eines Fotos. Ein Foto ist wie eine Fußspur am Strand. Ich interessiere mich nicht nur für diese Fußspur, sondern auch für den ganzen entstehenden Prozess. Ich frage mich, ob die Wahrheit in der Unsichtbarkeit eines Fotos versteckt wird. Die Bilder in dieser Serie entstehen in auf Dauer angelegten Handlungen. Es sind Prozesse mit performativem Charakter, die in einem Bild resultieren. Es versteckt somit die Spur, die zum fertigen Bild geführt hat und bewegt sich zwischen Bild und Skulptur. Durch den Prozess ihrer Entstehung fließen meine eigenen Lebenserfahrungen in meine Bilder ein: Ich nehme einen Stapel Post-it und schreibe die Zahlen von 1 bis 400 auf die einzelnen Zettel. Ich nehme schwarze Steine und verschließe mit ihnen ein großes Rohr.

»二O二O« bedeutet 2020. Die chinesische Zahl 二 besteht aus zwei Linien. Durch zwei Linien möchte ich die Aufmerksamkeit auf das grundsätzliche Element in einem Foto schicken. Wenn die Oberfläche der Dinge in einem gewissen Grad vergrößert wird, wird unsere Erkenntnis von realen Dingen, z.B. die Funktion, die Bedeutung, die soziale Beziehung, in ein befremdliches Gefühl umgewandelt. Wie könnten wir diese Details verstehen?

Ein weiterer Punkt in diesen Serien ist die Wiederholung. Das Leben, die Gesellschaft und die Geschichte wiederholen sich immer in einem System. Die Frage ist, in welcher Zeit wird diese Wiederholung stattgefunden haben? Welche unbemerkten Unterschiede gibt es darin?«

Kai Behrendt gewinnt den NRW.BANK.Kunstpreis 2020

Kai Behrendt: Untitled (Laser Etchings), 2019, Installationsansicht im Quartier Nord.

In einer virtuell ausgerichteten Preisverleihung wurden am 17. November 2020 die Gewinner des diesjährigen NRW.BANK.Kunstpreises bekanntgeben. Kai Behrendt, der im zurückliegenden Sommersemester an der Folkwang Universität der Künste im Fach Photography Studies and Practice mit dem Master of Arts abschloss, wurde in der Kategorie »Skulptur und Installation« für seine Arbeit UNTITLED (LASER ETCHINGS) ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch!

Auf den schultafelgroßen Bildreliefs seiner Arbeiten werden verschiedene Informationen belichtet und graviert – darunter Kalibrierungsbilder, ägyptologische Transliterationen, analo­ge und digitale Lensflares, von einer A.I. erzeugte Texte, Fotografien, Trauminterpretationen, Texturen von Fotogrammetrien und Ausschnitte aus einem Handbuch für Programmierer. Diese semantischen Ebenen sind durch die Lasergravur in eine spezifische Faktur eingebettet. Die Bilder reproduzieren die komplexen Kodierungen und Ambivalenzen, die die Informationsgesellschaft hervorbringt. Die so entstehenden C-Prints sind an der Wand oder in Rahmenkonstruktionen angebracht und fächerförmig angeordnet. In dieser raumgreifenden Konstellation über­lagern sich die einzelnen Objekte in einem rhizomatischen Beziehungsnetz, das die Hierarchien zwischen den ineinander verschränkten Bildelementen weiter auflöst – und im Ganzen sind sie ein Grenzgang zwischen Fotografie und Skulptur.

 

Anlässlich der Auszeichnung sprach Christoph Dorsz am 19. November 2020 mit Kai Behrendt:

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem NRW.BANK.Kunstpreis?

Ich habe mich sehr darüber gefreut! Das Preisgeld wird in meine künstlerische Praxis investiert und mir eine Zeit eigenständigen und freien Arbeitens ermöglichen. Das ist natürlich im Coronawinter sehr wertvoll.

Ihre Arbeiten wanderten schon immer über die Gattungsgrenzen hinweg, sie waren nur selten »reine Fotografie« oder »reine Grafik«. Was motiviert Sie, Bildern eine körperliche Qualität zu verleihen und in den Raum zu übertragen?

Ich glaube nicht, dass das automatisch besser ist, als Bilder an die Wand zu hängen. Aber die letzten Arbeiten schienen neue Formen des Displays zu erfordern, die nicht mit traditionellen Formen des Fotografie-Ausstellens zu lösen waren. Bei den Laser Etchings war es mir wichtig, dass es direkte Überschneidungspunkte zwischen den Bildern gibt, wodurch sie in ein semantisches Beziehungsnetz gebracht werden. Dafür musste es Bilder geben, die vor anderen stehen, was nur in einer räumlichen Konstellation möglich ist.

Was hat Ihnen die Ausbildung an Folkwang gebracht?

Vor allem viele gute Gespräche mit Kommiliton*innen, Werkstattleiter*innen und Dozent*innen. Außerdem hat der Fachbereich 4 sehr gut ausgestattete Werkstätten, die für meine Arbeitsweise ziemlich wichtig sind.

Kritik

EFEG #9 Aglaia Konrad / Carrara

In der neunten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über »Carrara« von Aglaia Konrad. Erschienen ist das Buch 2011 bei Roma Publications in Amsterdam. Die Fotografin fragmentiert mit dem »Ausschnitt-Werkzeug« Fotokamera die Marmor-Steinbrüche von Carrara und konstruiert aus den Bildern eine ungewöhnliche Seherfahrung. Das Buch enthält außerdem einen Text von Angelika Stepken. Ca. 29 cm × 21,5 cm, 136 Seiten, 119 Schwarzweiß- und 18 Farb-Fotografien (sowie die Farbfotografie auf dem Schutzumschlag).

Aglaia Konrad wurde 1960 in Salzburg geboren, 1990–1992 Studium der Fotografie an der Jan von Eyck Academie in Maastricht. Seit 2007 ist sie Professorin an der Sint-Lukas in Brüssel. Zahlreiche Auszeichnungen, 1997 Teilnehmerin der documenta X, 2003 Camera Austria Preis für zeitgenössische Fotografie, 2023 Österreichischer Staatspreis für Fotografie.
 

EFEG #8 Katja Stuke / Supernatural

In der achten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über zwei Bücher von Katja Stuke: »Supernatural« von 2010 und »Supernatural 2021« aus dem titelgebenden Jahr. In diesem Projekt »Supernatural« hat Katja Stuke Sportlerinnen bei den Olympischen Spielen am Fernseher beobachtet und in einem Moment großer Konzentration direkt vor ihrer sportlichen Leistung fotografiert. »Supernatural 2021« ist eine Weiterentwicklung, es ändert sich die Auswahl der Athlet:innen, der Sportarten, es ändern sich aber auch der Blick und der Umgang mit den Bildern im Heft.

Katja Stuke (*1968) lebt und arbeitet in Düsseldorf. Studium an der FH Düsseldorf. Ausgezeichnet unter anderem mit dem LUMA Rencontres Dummy Book Award at the Rencontres d’Arles 2017 und als Lauréat Regards du Grand Paris Ateliers Medicis, Centre national des arts plastiques Paris (beides mit Oliver Sieber).

 

EFEG #7 Helga Paris / Häuser und Gesichter. Fotografien 1983–85

In der siebten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über Helga Paris’ »Häuser und Gesichter. Fotografien 1983–85«. Das Buch ist zuerst 1986 erschienen und auch nicht erschienen – bevor es dann einige Jahre später in einer Neuausgabe endgültig erscheinen konnte.

Helga Paris wollte Halle an der Saale wie eine ganz fremde Stadt fotografieren. Das Buch beginnt mit Straßenansichten, es folgen Porträts, die sie hauptsächlich auf der Straße fotografiert hat. Die Ausstellung, zu der Paris dieses Buch gemacht hat, durfte 1986 nicht gezeigt werden und wurde 1990 nachgeholt.

 

EFEG #6 Deanna Templeton / What She Said

In der sechsten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« besprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl das Fotobuch »What She Said« von Deanna Templeton. Erschienen ist es 2021 bei Mack Books in London.

Deanna Templeton fotografiert weibliche Teenager und junge Frauen und stellt diese Porträts in einen Zusammenhang mit Tagebucheinträgen und Konzertflyern aus ihrer eigenen Jugend in den 1980er Jahren.

Rein theoretisch #6 Fotografierverbot

Dortje Fink und Julia Wolf, beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research, sprechen in der sechsten Folge ihres Podcasts »Rein theoretisch« über Fotografierverbote.

Was haben das Van Gogh Museum in Amsterdam, der Uluru in Australien, die Stadt Kyoto in Japan, aber auch die Herbertstraße in Hamburg, das Berghain in Berlin, New Yorker Gay Bars der 80er Jahre und Sicherheitsgebiete in Kriegszeiten gemeinsam? Spoiler: Sie stellen Orte dar, an denen es nicht gestattet ist zu fotografieren. 

Die Gegebenheiten, in denen sie uns begegnen, sind genauso vielseitig wie die Gründe für solche Reglements. Ob in Clubs durch das Abkleben von Handykameras, in Museen anhand von Hinweisen des Aufsichtspersonals oder an sakralen Orten nach dem unausgesprochenen Gesetz des gegenseitigen Respekts. Eines haben sie gemeinsam: Fotografie wird in all diesen Fällen als problematisch oder gar bedrohlich angesehen. Fotos, die aufgrund verschiedenster Verbote nicht existieren, lassen zudem ein spannendes Gedankenspiel zu. Welche Abbildungen werden in bestimmten Situationen antizipiert? Und welche negativen Auswirkungen könnten diese haben?

Fink & Wolf teilen in dieser Podcast-Folge ihre Gedanken zur gezielten Unterbindung privater Fotoaufnahmen und stoßen dabei an die Grenzen ihrer situationsbedingten Sinnhaftigkeit. Am Ende stellt sich die Frage ob wir aufgrund der allgegenwärtigen Kameranutzung vermehrt mit Fotoverboten konfrontiert werden sollten oder nicht.

Abrufbar ist die neue Folge, wie alle anderen auch, auf Apple Podcast und Spotify.
 

EFEG #5 Bettina Lockemann / Southward – nach Süden

In der fünften Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über Bettina Lockemanns »Southward – nach Süden«, erschienen beim Fotohof Salzburg im Jahr 2021.

Bettina Lockemann ist 2017 in die Südstaaten der USA gereist. Dort trifft sie auf Gegenden und Städte, die einerseits mit vielen Hypotheken aus der Vergangenheit zu kämpfen haben, in denen sich aber auch viele Initiativen wie zum Beispiel das Rural Studio finden. Das gehört zur Auburn University, und seine Studierenden entwickeln gemeinsam mit den Menschen vor Ort Methoden zum Bau günstigen Wohnraums. Lockemann sucht viele dieser Initiativen auf, spricht mit den Beteiligten und fügt ihren Fotografien kurze Texte bei, die aus Sicht dieser Menschen die Situation beschreiben.

Bettina Lockemann wurde 1971 in Berlin geboren. Nach einer Ausbildung zur Fotografin studierte sie an der HGB in Leipzig. Promotion in Kunstgeschichte, Lehre an vielen unterschiedlichen Hochschulen im In- und Ausland, sechs Jahre lang war sie Professorin für Fotografie an der HBK Braunschweig. Bettina Lockemann hat eine sehr informative Website.

Ca. 24,5 cm × 16,5 cm, Klappenbroschur, 156 Seiten, Schwarzweiß und Farbe, 90 Fotografien.

 

EFEG #4 Hannah Darabi / Soleil of Persian Square

In der vierten Folge von EFEG – Einige Fotobücher, einige Gedanken – sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über »Soleil of Persian Square« von Hannah Darabi. Erschienen ist dieses Buch 2021 bei den Éditions Gwinzegal in Paris. Die EFEG-Folge ist auf diesem YouTube-Kanal abrufbar.

Der Titel von Hannah Darabis Buch bezieht sich auf das Bistro »Soleil« am »Persian Square« in Los Angeles, das auf einem ihrer Fotos zu finden ist. Stadtansichten von Los Angeles mit Hinweisen auf die dortige iranische Diaspora treffen in dem Buch auf Abbildungen von Musikkassetten, Ausschnitten aus den Gelben Seiten von Los Angeles, Stills aus Musikvideos und informellen Porträts, von denen es jeweils zwei gibt.

Hannah Darabi wurde 1981 in Teheran geboren. Nach einem Studium an der Hochschule der Schönen Künste in Teheran und an der Universität Paris VIII-Saint-Denis lebt sie heute als Künstlerin in Paris.

Einige weiterführende Hinweise: Das im Gespräch erwähnte Video der Wüstenrot-Stiftung ist hier zu finden. ● Hannah Darabi: Enghelab Street. A Revolution through Books: Iran 1979–1983, Leipzig (Spector Books) 2019. ● Das Buch von Bahman Jalali und Rana Javadi von 1979, »Days of Blood, Days of Fire«, ist 2020 als Reprint ebenfalls bei Spector Books erschienen, es enthält einen Einleger mit einem einführenden Text auch auf Englisch. Bedauerlicherweise gibt es keine Übersetzung der im Buch selbst vorkommenden Texte und Bildunterschriften. ● Inka Schube (Hg.): Bahman Jalali, Köln (König) 2011. ● Auf der Bandcamp Seite von ANYWAVE findet ihr das Tape »Soleil of Persian Square / Post California« zum streamen.

Hannah Darabi: Soleil of Persian Square, Paris (Éditions Gwinzegal) 2021. Etwa 28 cm x 22 cm, Broschur, 220 Seiten.

 

Rein theoretisch #5 Gelöschte Fotografien

Dortje Fink und Julia Wolf, beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research, sprechen in der fünften Folge ihres Podcasts REIN THEORETISCH über gelöschte Fotografien.

Mit der Zeit sammeln sich auf unseren Smartphones Massen an überflüssigen Fotografien an. Anhand ihrer zuletzt gelöschten Handyfotos reflektieren Fink&Wolf die heutigen Ansprüche an selbst geschossene Fotografien und aus welchen Gründen diese dann wieder gelöscht werden. Das gezielte Vernichten von belastendem Fotomaterial unterscheidet sich dabei klar vom versehentlichen Löschen visueller Erinnerungen.

Der Verlust bedeutender Fotografien war zur Zeit der analogen Technik schon allein wegen ihrer fragilen Materialität ein Risiko, wie Robert Capas Fotografien des D-Day in der Normandie zeigen. Jedoch sind private Handybilder als digitale Information ohne konkreten Bildträger ebenso leicht auszulöschen. Datenträger wie Floppy Disks geraten aus der Mode und werden unlesbar, JPEGs nutzen sich mit steigender Verwendung ab und enden als beschädigte Dateien. Auf der anderen Seite verdeutlichen Fälle wie der sogenannte Techno Viking, der in Berlin auf der Fuckparade gefilmt wurde, oder Plattformen zum Hochladen intimer Fotografien von Ex-Partner:innen, (die wir namentlich nicht nennen wollen, um solche Übergriffe nicht zu verstärken) wie aussichtslos der Wunsch nach Löschung sein kann. Katja Müller-Helle beschreibt mit dem Streisand-Effekt zudem, dass Bilder, die im Netz vermeintlich vom Löschen bedroht sind, umso mehr gespeichert und geteilt werden.

Ob heimlich, erzwungen, symbolisch oder versehentlich, gelöschte Fotografien sparen meist einen besonders interessanten Teil unserer Realität aus und stellen uns vor die Frage wie sehr wir unser Wissen darauf beschränken können, was für uns sichtbar ist.

Abrufbar ist die neue Folge, wie alle anderen auch, auf Apple Podcast und Spotify.

Rein theoretisch #4 Blickregime

Die vierte Folge befasst sich mit Blickregimen: In der Fachsprache werden Machtverhältnisse, die durch Fotografien entstehen, Blickregime genannt. Sexismus und Rassismus nutzen die objektifizierende Eigenschaft des fotografischen Mediums bis heute. Wie das Fotografieren die visuelle Wahrnehmung konstruiert und welche Rollenverteilung damit einhergeht, diskutieren Fink & Wolf anhand der Konzepte »Male Gaze« und »Colonial Gaze«. Die Vorstellung, dass Fotos die Realität abbilden, kommt dabei stark ins Wanken und führt zur Frage, welche Repräsentationen wir als »normal« empfinden und welche Bilder zur systematischen Diskriminierung beitragen.

REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

Hosen haben Röcke an

Besprochen von Steffen Siegel

Das letzte Bild im Buch ist das charmanteste: die Künstlerinnengruppe Erfurt als Diagramm, alle porträtieren alle, ein Tableau aus 64 Beziehungen. Entscheidender aber ist das gemeinsame Ganze. Wer Gabriele Stötzer autobiografisches Buch »Der lange Arm der Stasi« – vor einem Jahr erschienen bei Spector Books – gelesen hat, kennt die Umrisse. Denn eigentlich ist Stötzers Buch das Porträt einer weit verzweigten Gruppe oppositioneller Erfurter Künstlerinnen und Künstlern.

»Hosen haben Röcke an«, dieses Jahr beim Hatje Cantz Verlag erschienen, ist beides zugleich: eine Engführung und eine Erweiterung. Einerseits konzentriert sich der Katalog auf jene Gruppe von etwa 15 Künstlerinnen, die zwischen 1984 und 1994 unter wechselndem Namen auftraten. Andererseits reicht das Interesse hier, analog zur Entwicklung der Gruppe, über die Epochenwende von 1989/1990 hinaus. Es waren Auftritte im engen Sinn des Wortes: Performances, Filme, Fotosessions, Modenschauen, Happenings, am 4. Dezember 1989 dann die Besetzung der Erfurter Staatssicherheit – überhaupt die erste in der DDR und eine der wichtigsten wie folgenreichsten Performances jener Zeit. Das Buch ist der nachgereichte Katalog zu einer Ausstellung, die bereits vor eineinhalb Jahren in der nGBK Berlin zu sehen war, und es ist absolut lesenswert.

Gebaut haben die fünf Autorinnen – Susanne Altmann, Katalin Krasznahorkai, Christin Müller, Franziska Schmidt und Sonia Voss – das Buch um fünf Filme der Künstlerinnengruppe, von denen aus die Geschichten von Widerstand, Subversion, Appropriation und Parodie erzählt werden. Das geht, was die Filme selbst angeht, im Buch natürlich nur bedingt gut auf, das mehr als reiche und wohl fast immer zum ersten Mal publizierte Archivmaterial macht das indes wett.

Das von Klimaite Klimaite Berlin wunderbar gestaltete Buch schließt dieses Archiv schlaglichtartig kommentierend auf. Alle Texte finden sich im Buch durchgehend zweisprachig auf Deutsch und Englisch. Wer es noch genauer wissen will, findet in einer von Christin Müller erstellten Chronologie und einer umfassenden Bibliografie weitere Informationen. Man kann aber auch einfach nach Thüringen fahren und dort im Kunsthaus Erfurt vorbeischauen. Gegründet wurde es 1990 in der Michaelisstraße 34, wo es sich nach wie vor befindet und für die lokale wie überregionale Kunst- und Kulturarbeit ein wichtiges Zentrum ist. Aus einer Initiative der Künstlerinnengruppe hervorgegangen, wird es unverändert von Monique Förster, einem ihrer Mitglieder, geleitet.  

Susanne Altmann, Kata Krasznahorkai, Christin Müller, Franziska Schmidt, Sonia Voss: Hosen haben Röcke an. Künstlerinnengruppe Erfurt, 1984–1994 / Pants Wear Skirts. The Erfurt Women Artists’ Group, 1984–1994, Berlin (Hatje Cantz) 2023. Broschur, 256 Seiten, 200 Abbildungen, 26,5 × 19,5 cm. ISBN: 978-3-7757-5258-9.

 

Rein theoretisch #3 Bildgedächtnis

Die dritte Folge von REIN THEORETISCH handelt vom Bildgedächtnis: Fotografien sind Teil eines individuellen und kollektiven Gedächtnisses. Sie werden zu Bildikonen, die Menschen vor Augen haben, ohne sie zu sehen. Dabei spielen Medien eine entscheidende Rolle. Inwiefern Bilder unterschiedlich erinnert werden und gemeinschaftsstiftende Vorstellungen immer auch Menschen ausschließen, überlegen Fink&Wolf unter anderem anhand der fotografischen Inszenierung Marilyn Monroes, des Pressebildes »The Terror of War« von Nick Ut und der Ausstellung »A Series of Utterly Improbable, Yet Extraordinary Renditions« von Arthur Jafa.

Anders funktionieren detaillierte Bildbeschreibungen. Der sogenannte Alt-Text gibt Fotografien für sehbeeinträchtigte Menschen mit Worten wieder und lässt sie vor unserem inneren Auge sichtbar werden, ohne sie je gesehen haben zu müssen.

REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

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Jan Mammey, Falk Messerschmidt: Statues Also Die

Besprochen von Steffen Siegel

Vor wenigen Tagen hat die Stiftung Buchkunst die von ihr in diesem Jahr ausgezeichneten »Schönsten Deutschen Bücher« bekannt gegeben. Eines ist »Statues Also Die« von Jan Mammey und Falk Messerschmidt, erschienen bei Kodoji aus Baden in der Schweiz und gestaltet von Helmut Völter. Ob sich die beiden Künstler gewundert haben, dass ihr Fotobuch in der Kategorie »Sachbuch/Ratgeber« ausgezeichnet wurde? Ebenso gut hätte es in die (bei der Preisvergabe nicht vorgesehene) Kategorie »Reiseführer« gepasst – jedenfalls in einem besonderen Sinn von Reise. Wer das Buch öffnet, wird sich in einer solchen Deutung bestätigt sehen: Im vorderen Klappcover findet sich ein Stadtplan von Paris, der sich auch als Inhaltsverzeichnis verwenden lässt.

Vor genau siebzig Jahren kam »Les statues meurent aussi« – gemeinsam von Alain Resnais, Chris Marker und Ghislain Cloquet gedreht – in die Kinos. Dass er heute ein Klassiker ist, lässt all zu schnell vergessen, dass er in Frankreich eineinhalb Jahrzehnte lang nur zensiert zu sehen war. Grund war die in ihm formulierte Kolonialismus-Kritik, und genau hieran schließen Mammey und Messerschmidt an – der übernommene Werktitel verdeutlicht es. Vor allem aber teilen sie mit dem Film die Schlüsselfrage nach der Sichtbarkeit des Kolonialismus. Sie fuhren dafür nicht in frühere französische Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent, sondern durchmusterten in ganzer Breite den Stadtraum von Paris (dem Ansatz von »Berlin Postkolonial« vergleichbar). Vom Ladenschild über Denkmäler bis hin zu ganzen Institutionen, ja Stadtteilen reicht die im Fotobuch zusammengeführte Sammlung.

Vielleicht ist das angesprochene Ladenschild tatsächlich der überraschendste Ort einer solchen Präsenz. Nicht ganz zufällig wird es auf der Rückseite des Covers besonders prominent ausgestellt, allerdings im Zustand eines Kommentars. Gegeben wurde er in violetter Farbe, vermutlich als Farbbeutel an das Schild geworfen. Es gehörte zu einem Laden, bei dem nicht allein sein Name »Au n*** joyeux« (also in etwa: »Zum fröhlichen N***«) eine solche Tat herausforderte, sondern auch ein gemaltes Bild, das mit rassistischen Klischees nicht geizig war. Genau besehen erzählt das Buch eine Geschichte: Zwei Aufnahmen zeigen Zustände vom Oktober 2016 und Dezember 2018 – und in ihnen bildet sich eine Entwicklung ab. Wer heute an die Place de la Contrescarpe geht, wird weder Schild noch Beschriftung finden.

Im Ganzen kommen Mammey und Messerschmidt auf gut drei Dutzend Pariser Erinnerungsorte, die allerdings in der Mehrzahl gerade das nicht sind: ein Anlass zur Erinnerung. Die kolonialen Wurzeln sind verdeckt, werden übersehen oder proaktiv ignoriert. Man sagt wohl nicht zu viel, wenn man behauptet: Wer dieses nicht nur schöne, sondern auch wichtige Fotobuch auf die nächste Paris-Reise mitnimmt, wird diese oft gesehene Stadt ganz gewiss mit neuen Augen betrachten.

Jan Mammey, Falk Messerschmidt: Statues Also Die, Baden CH (Kodoji Press) 2022. Mit einer Short Novel von Arno Bertina. 16,5 × 22,5 cm, 276 Seiten, 147 Farb- und Schwarz/Weiß- Abbildungen. Soft-Klappcover. ISBN 978-3-03747-108-1

 

EFEG #3 Jo Ractliffe / The Borderlands

In der dritten Folge von EFEG – Einige Fotobücher, einige Gedanken – sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über »The Borderlands« von Jo Ractliffe. Erschienen ist dieses Buch 2015 bei Editorial RM. Die EFEG-Folge ist auf diesem YouTube-Kanal abrufbar.

Nachdem Ractliffe für ihre beiden vorangegangenen Arbeiten »Terreno Occupado« und »As Terras do Fim do Mundo« in Angola fotografiert hatte, führt sie ihr Thema – die Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg in Angola und dem Befreiungskampf in Namibia sowie den Verstrickungen Südafrikas darin – in Südafrika selbst weiter, von wo aus viele Militäreinsätze ihren Anfang genommen haben. Dabei verfolgt sie, wie sie selbst sagt, die Idee einer Landschaft als (ehemals) militarisierter Zone.

Jo Ractliffe wurde 1961 in Kapstadt geboren. Sie studierte Bildende Kunst an der Ruth Prowse School of Art, Woodstock, und an der Michaelis School of Fine Art at the University of Cape Town (Bachelor of Fine Arts 1985, Master of Fine Arts 1988). Heute unterrichtet sie an der Witwatersrand School of Arts at Wits University, Johannesburg.

Jo Ractliffe: The Borderlands, Barcelona, Mexiko City (Editorial RM) 2015. Ca. 30 cm x 25 cm, Hardcover, keine Seitenzahlen, 4 Ausklappseiten, Bildteil 148 Seiten, Textteil 24 Seiten, 89 Fotografien.

Rein theoretisch #2 Anonymisierung

Die zweite Folge von REIN THEORETISCH widmet sich eingeschränkt sichtbaren Bildern: Fotografien mit unkenntlich gemachten Ausschnitten betonen oft, was den Betrachtenden vorenthalten wird. Hierbei werden hauptsächlich Individuen anonymisiert, deren Privatsphäre in der Medienberichterstattung nicht verletzt werden soll. Bildredaktionen müssen so abwägen, ob das öffentliche Interesse an einem Geschehen oder das Recht am eigenen Bild überwiegt. Handelt es sich bei dieser Einschränkung auch um eine Form von Zensur?

Fink & Wolf spekulieren außerdem über die Verwahrung großer Fotoansammlungen und das darin liegende Gewaltpotenzial durch anonyme Porträtfotografien. REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studierenden an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

Rein theoretisch #1 Zensur und Content Moderation

Fotografien für die Ohren! REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Anhand von Themen, die den künstlerischen, angewandten oder privaten Bereich betreffen, überlegen Dortje Fink und Julia Wolf, wie Fotografien zum Erscheinen oder Verschwinden gebracht werden. Sie sprechen über Bilder, die nicht gesehen werden können, wollen oder dürfen – also aus den Augen in den Sinn. Der Intro-Song stammt von Hossein Mousavifaraz, ebenfalls Student in unserem Research-Master.

In der ersten Folge beschäftigen sich Fink & Wolf mit den Themen Zensur und Content Moderation. In diesen Fällen sind Fotografien zwar potenziell vorhanden, aber durch bewusste Regelungen nicht mehr zu sehen. Autoritäre politische Systeme scheinen unerwünschte Abbildungen ungehemmt zu zensieren, wie das Beispiel einer Fotografie-Ausstellung von Gundula Schulze Eldowy in der DDR zeigt.

Aber auch in Demokratien werden Bilder gelöscht bevor oder nachdem sie in Umlauf gebracht werden. Anhand von Content Moderation in Sozialen Medien stellt sich die Frage, ob hier auch von Zensur zu sprechen ist. Ist Zensur immer etwas Schlechtes oder ist sie heute eine Notwendigkeit zum Schutz vor traumatisierenden Bildern in digitalen Netzwerken?

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

EFEG #2 LaToya Ruby Fraziers / The Notion Of Family

Die zweite Folge von Einige Fotobücher, einige Gedanken haben Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld dem Fotobuch »The Notion of Family« der US-amerikanischen Künstlerin und Aktivist LaToya Ruby Frazier gewidmet, erschienen 2016 bei Aperture in New York.

Im ersten Buch von LaToya Ruby Frazier sehen wir sie selbst, ihre Mutter und ihre Großmutter sowie ihre Heimatstadt Braddock, Pennsylvania im sogenannten Rust Belt. Die Fotos sind in einem Zeitraum von über zehn Jahren entstanden. Frazier wendet unterschiedliche bildnerische Strategien an, mal mehr, mal weniger inszeniert und experimentell.

LaToya Ruby Frazier wurde 1982 in Braddock, Pennsylvania geboren. Sie studierte an der Edinboro University of Pennsylvania (Bachelor of Fine Arts, 2004), an der Syracuse University (Master of Fine Arts, 2007) und im Whitney Museum Independent Study Program (2011). Sie ist Professorin für Fotografie an der School of the Art Institute of Chicago.

Die neue Folge von EFEG ist 1 Stunde und 21 Minuten lang und steht hier jederzeit zum Abruf bereit.

EFEG #1 Germaine Krull / Paris-Biarritz

In der ersten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über Germaine Krulls »La Route Paris–Biarritz« von 1931, erschienen in Paris bei den Éditions Jacques Haumont; ca. 22 cm × 15 cm, Broschur, 96 Seiten mit 87 Fotografien.

Germaine Krull fährt 1931 mit dem Auto von Paris nach Biarritz beziehungsweise noch darüber hinaus und fotografiert unterwegs sowohl Baudenkmäler, Stadtansichten und Landschaften als auch das Fahren selbst. Auch Claude Farrère begibt sich für sein Vorwort auf diese Reise...

Das einstündige Gespräch gibt es ab sofort auf dem YouTube-Kanal von EFEG.

Eric Meier: FF

Besprochen von Steffen Siegel

Es gibt Fotografien, bei denen genaues Hinsehen nicht reichen wird. »FF« von Eric Meier, erschienen bei sèche editions in Berlin, erinnert daran schon auf dem Cover. Wer den großformatigen, gut zwei Kilo schweren Band in die Hand nimmt, muss es spüren: Die Buchstaben sind so rau wie Schleifpapier. Damit ist zugleich ein Ton gesetzt. Es geht hier um eine Form der Sinnlichkeit, die die Augen ebenso viel angeht wie die Fingerkuppen.

Ein neunseitiges Intro, gesetzt in großen Lettern, wirft für »FF« stakkatohafte Lyrics hin: „Es riecht nach Money Honey, aber nicht für Dich.« Oder: »Es ist 93, 94, 95, 96, 99 Uhr. Millennium. Im Takt der Zonierung ist die Zornierung produktiv gesteigert.« Oder: »Wie schön der Schutt ist oder die Blume, die sich durch die Platte gräbt.« Und: »Die Tür ist jedoch immer einen Spalt auf. Und wenn nicht, rennen wir durch die Scheibe. Welt offen.« Direkt danach, auf Seite 13, kann man diese Scheibe sehen.

Doch folgen keine Blick ins Offene, sondern 250 Seiten voller Close-Ups, immer schwarz-weiß. Fotografien für die Fingerspitzen: die kleinen glatten Kiesel im porösen Waschbeton, der feinkörnige Rost auf dem schmalen Treppengeländer, die glatten Kachelfliesen der fensterlosen Fassaden, die scharfkantigen Schuppen der splitternden Ölfarbe, die kubistischen Formbausteine, zusammengefügt wie die Betonplatten für Hauswände und Gehsteige, zwischen ihnen ein Kleber aus Teer, der im Sonnenschein an Härte verliert und dunkel zu riechen beginnt. Spätestens hier kommt auch die Nase ins Spiel.

Es ist nicht schwer, solche materiellen Qualitäten metaphorisch aufzufassen – und gewiss ist es auch nicht falsch, gerade solche Schlüsse zu ziehen. Oft genug ist das, was Eric Meier in seinen Bildern zeigt, brüchig, marode, verfallen oder sogar mutwillig zerstört. Allerdings liegt unter dieser rauen Ikonografie eine zweite Ebene, und gerade hierfür benötigt es den fotografischen Blick. Der ist aufmerksam, intensiv, genau. Die so entstehenden Fotografien sind dabei vor allem eines: den Dingen zugewandt.

Kein einziges dieser Bilder zeigt Menschen – und doch geht es auf allen Seiten des Buches nie um etwas anderes. Eine Lebenswelt voller alter und einiger neuer Zeichen im Habitat »FF« wie Frankfurt an der Oder. Michael Schmidt eröffnete sein legendäres (gerade wieder aufgelegtes) Buch »Ein-heit« mit einem Blick ins Gelände der ostdeutschen Plattenbaugebiete, weitete dann aber sehr schnell die Perspektive. Eric Meier bleibt hier beharrlich: Seine Ortserkundung folgt geduldig den großen Formen und kleinen Zeichen, sammelt Blicke für Augen und Fingerspitzen – und verdichtet sie zu einem meisterhaft präzisen Fotobuch.

Eric Meier: FF, Berlin (sèche editions) 2021. 304 Seiten, Hardcover, 24 × 32 cm. Gestaltet von HOMI Creative Studio, mit Texten von Eric Meier, Malina Lauterbach und Clemens Vilinger. ISBN: 978-3-949495-01-4

Fototechnik-a

Besprochen von Steffen Siegel

Es gehört zu den prägenden Ideen des Diskurses zur Fotografie, dass er das Medium und den menschlichen Körper zusammendenkt. Eigentlich von Anfang an, denn immerhin hatte schon im Januar 1839 der Chemiker Biot die fotografische Platte mit einer künstlichen Netzhaut verglichen. Sehr viel später würde dafür in Toronto das schöne Wort von den »extensions of man« geprägt werden. Die englische Sprache hat allerdings auch die Eigenart, mit einer solchen Formulierung wichtige Differenzen zudecken zu können. Marshall McLuhan dachte vermutlich, als er so formulierte, an medial ermöglichte Erweiterungen des Menschen, nicht aber des Mannes. Ein gerade eben im Fotohof Salzburg erschienener Band fragt nun aber zurück: War vielleicht doch nur der Mann gemeint? Hat Fotografie (abgesehen vom grammatikalischen Femininum) traditionell ein Geschlecht? Anders formuliert: »Wie weiblich ist die Fototechnik?«

Der typografisch anspruchsvolle Titel des Buches ist programmatisch gewählt und lässt sich hier nur indirekt zitieren: »Fototechnik-a«, mit hochgestelltem a. Was die Herausgeberinnen und Autorinnen Caroline Heider, Ruth Horak, Lisa Rast und Claudia Rohrauer auf 110 großformatigen Seiten zusammentragen, ist keine systematische Untersuchung dieses sehr weiten Feldes, sondern ein Versuch, Schlaglichter zu setzen. Nur ein Beispiel: Seit 1839 und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein sind Hand- und Anleitungsbücher zur fotografischen Technik und ihrer Anwendung wie Sand am Meer erschienen. Es gibt wirklich zu denken, worauf Caroline Heider aufmerksam macht: Fast stets wurden diese Bücher von einem Mann geschrieben. Dass damit ein handfester Sexismus einhergeht, zeigt die Künstlerin anhand von Illustrationen aus solchen Büchern und nicht zuletzt der noch immer überreich verlegten Foto-Magazine.

Von besonderem Wert ist in diesem Band das Zusammenspiel der verschiedenen Wissensformen: wissenschaftliche Aufsätze (ausführlich von Ulrike Matzer und Katharina Steidl) stehen neben künstlerischen Reflexionen (neben Caroline Heider sind das Lisa Rastl und Claudia Rohrauer). Zusammengehalten wird das alles auf charmante Weise durch die Stimme von Ruth Horak, die die Beiträge erläuternd anmoderiert.

Caroline Heider, Ruth Horak, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer: FOTOTECHNIK-A, Salzburg (Fotohof) 2023. 110 Seiten, broschiert, zahlreiche Farbabbildungen, 30,5 × 22 cm, ISBN: 978-3-903334-55-7.

Gloria Ruiz Melendez on the Exhibition »On Display«

»On Display«, exhibition view at Kunstmuseum Ahlen, 2022. Photo: Samuel Solazzo.

The Unattainable Border
By Gloria Ruiz Melendez

»A wormhole«, I wrote in my note app as the first impression of the double feature in the Ahlen Kunstmuseum: »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! Die frühen Jahre der Fotografie« and »On Display: Der Körper der Fotografie«. A feeling of symmetry, of a mirrored image, of a question as old as the technology of Photography: Where do the possibilities end? Is there more? Questions asked in the 19th century with a resonance in today’s contemporary Art and Photography theorization and practice world, not only in this specific set of expositions but also in others that aim to reflect on the very nature of the limits of the medium, in a time when photography has become absolutely immersive in our everyday life, integrated into our routine as something that it’s »there« and we seldom think about. Photography has become the way we see and not the other way around, a mass of data that flows with a life of its own, like a river.

In »On Display: Der Körper der Fotografie«, more than an exploration body, it’s the attempt of digging it to its bones, confronting the audience with the notion that we’re watching, confronting us with our expectations around photography in our private and public life, something mundane but also intimate. Joan Fontcuberta explains in »Photography, Crisis in History«: In Photography two facets have necessarily coexisted: (1) the image as visual information (2) the physical support of a medium, objectual dimension. In the daguerreotype, the plate embodies an image. In the archive, the information aspect prevails. In a museum, it’s the objectual aspect. On Display takes on the specific task to scratch, taking techniques and methods of the past into a contemporary while »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! with their stereographs, which have been the basis of the very contemporary world of Augmented Reality and Virtual Reality, reminds us that this urge to grasp reality in new and more encompassing ways has been a part of the very nature of Photography since it’s conception.

The rules about photography keep changing and getting looser, as nowadays we’re able to create images that don’t really exist, and Artificial Intelligence can combine, merge and interpret images in a way that sounded like science fiction only mere decades ago. The urge to adopt and reject technology, the urge to keep photography in »its body«, like a reversed exorcism, when Photography seems to start losing its materiality and becoming pure data. Photography is about control, but also about leaving room for coincidence and exploration while finding a lot of the same urges in the neighbor Exposition: »to have been there«, memories, events, the word Truth.

Where does the border lie? For Photography, it feels like the Borgean »Book of Sand«: never-ending, shapeshifting, always bringing a new page into a seemingly never-ending book.

Gloria Ruiz Melendez has been a DAAD student at Folkwang University of the Arts since 2021.