»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Jakob Schnetz an Rebecca Racine Ramershovens Serie »How much time do you want?«.
Das tastende Auge
Mit der Gewissheit des unangreifbaren Betrachters trete ich vor euch, die bewegten visuellen Parzellen.
Wo beginne ich zu sehen? Oder habe ich mich bereits entschieden, angezogen von der Eindeutigkeit der Gewalt der Schläge, die mich erhaben machen; ist es die aufreizende, geschmeidige, so bestimmte Bewegung des Fingers, die mich affiziert, das naive Grinsen, das zum Belächeln einlädt? Ohne die meisten der Filme in Gänze gesehen zu haben, kenne ich euch, die entnommenen Bilder; ich kenne diese Gesten, die Mimik, die Motive, zumindest glaube ich das. Noch fühle ich mich sicher, denn ihr seid nur Bilder, flüchtiger Code, eine Abfolge dezidierter mathematischer Befehle.
Ihr scheint Sinnlichkeit zu begehren, eine nuancierte Palette an Taktilität, und in eurem körperlosen Dasein macht ihr den Körper doppelt zum Thema. Diese Aufladung des Sinnlichen scheint durch eine digitale Körperlosigkeit noch verstärkt. Sichtbar ist die Haut, Schwarze Haut. An sie geknüpfte Gesten verheißen hier ungebremstes Gieren, kraftvolle Erotik, nahezu sadistische, affektierte Gewalt, übertrieben kindliche Komik, unterwürfiges Glück: eine Ansammlung widersprüchlicher Projektionen, die zugleich Angst und Anziehung erzeugt und sie in der vermeintlichen Evidenz von Haut fixiert (siehe Fanon, Frantz: Die erlebte Erfahrung eines Schwarzen. In: Dorothee Kimmich, Stephanie Lovarno, Franziska Bergmann (Hg.): Was ist Rassismus? Kritische Texte, Stuttgart 2016, S.129–144, hier S.136).
Wirkmächtige Stereotype, in Endlos. Die sichtbaren, körperlosen Körper sind des Menschlichen beraubt. Gefangen in der Wiederholung, lässt mich eure Endlosigkeit stocken, ich halte es kaum mehr aus. Noch bin ich voller Hoffnung, dass sich etwas ändert.
Das tut es nicht: Ich bin nervös. Ihr seid es auch.
Auch eure Sprachlosigkeit gibt mir keinen Halt, keine Ablenkung. Diese eure Stummheit wird nur von jenem eigentümlichen Knistern überlagert, das mich desorientiert. Aus rauschender Stille sprechen mich plötzlich die Stimmen von James Baldwin, Miriam Makeba, Audré Lorde und Toni Morrison direkt an, mich als Weißen - und lassen mich befremdet und zweifelnd zurück.
Kurz spüre ich eine unmittelbare Abwehrhaltung gegen Didaktik im Künstlerischen. Doch ist sie hier nicht eine Strategie der Verweigerung, die vor allem zeigt, wie sehr sie trifft? Steckt hinter der Didaktik nicht eine tiefe Müdigkeit und Wut, die mich angeht, eine schmerzvolle Leerstelle in mir?