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Orbit

Das ehemalige Schalthaus 2.0 auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein, Schacht XII, wird ab dem Wintersemester 2024/2025 neu genutzt: als experimenteller Ort für Ausstellungen, Veranstaltungen und Treffen des Fachbereichs Gestaltung der Folkwang Universität der Künste. Ehemalige Fotografie-Student:innen der Folkwang Universität der Künste stellen ihre künstlerische Position in Dialog zu einer aktuellen studentischen Arbeit.

Die Präsentationen der Ergebnisse in Form von öffentlichen Ausstellungen finden erstmalig an diesem neuen Ausstellungsort auf dem Gelände des UNESCO-Welterbes Zollverein statt. Organisiert wird die Ausstellungsreihe von Lorenza Kaib in Zusammenarbeit mit Prof. Elke Seeger und Larissa Zauser.

Ein Schwerpunkt des Projektes liegt auf der Vernetzung: Zum einen wird das Verhältnis der Alumni zur Hochschule gestärkt und vertieft, zum anderen bekommen Studierende Einblicke in Lebenswege und Karrieren nach der Zeit an der Folkwang Universität der Künste. Darüber hinaus sind vielfältige Verknüpfungen innerhalb der kulturellen Landschaft auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein möglich.

Die Ausstellung ist Teil des Projekts BLICKFELD ZOLLVEREIN, einer Kooperation der Folkwang Universität der Künste und der Stiftung Zollverein. Ermöglicht wird das Projekt durch die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Zollverein (GFF) und die RAG-Stiftung.

Für den Auftakt sind drei Ausstellungen geplant:


● Ruth Magers gemeinsam mit Pinkas Fritscher & Acaymo Hülsmann Benlloch
Eröffnung: 21.11.2024, 19 Uhr, Laufzeit: bis 01.12.2024, Öffnungszeiten: freitags 16 bis 18 Uhr, samstags & sonntags 14 bis 18 Uhr

Ruth Magers studierte von 2015 bis 2021 Fotografie an der Folkwang Universität der Künste insbesondere bei Christopher Muller und Elke Seeger. Seit 2020 studiert sie an de Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Peter Piller. Neben Ausstellungen in Essen zeigte sie ihre Arbeiten bereits überregional sowie international, unter anderem an der University of Portland, Oregon (2019), im Künstlerhaus Betanken, Berlin (2022) und the pool, Düsseldorf (2023). Für ihr künstlerisches Schaffen wurde Magers 2019 mit dem Marianne Ingenwerth-Exzellenzstipendium ausgezeichnet. Seit 2022 organisiert sie zusammen mit Jacob Lambert den von Künstler*innen geführten Ausstellungsraum »etta« in Düsseldorf.


● Eva Olbricht gemeinsam mit tbd
Eröffnung: 20.12.2024, 19 Uhr, Laufzeit: bis 12.01.2025, Öffnungszeiten: freitags 16 bis 18 Uhr, samstags & sonntags 14 bis 18 Uhr, geschlossen vom 27.12.2024 bis 05.01.2025

Von 2014 bis 2019 studierte Eva Olbricht Fotografie an der Folkwang Universität der Künste. Neben fotografischen Auseinandersetzungen arbeitet Olbricht seit ihrem Abschluss auch mit Ton und schafft Keramiken, die zwischen Gebrauchsgegenstand und künstlerischem Objekt oszillieren. Olbrichts Arbeiten waren vielfach im Ruhrgebiet und Rheinland zu sehen. Darüber hinaus stellte sie ihre Arbeiten unter anderem in Leipzig (2021, 2024), Saarbrücken (2018), Wien (2017) und Freiburg im Breisgau (2019, 2018) aus.


● Joanna Kischka gemeinsam mit tbd
Eröffnung: 23.01.2025, 19 Uhr, Laufzeit: 02.02.2025, Öffnungszeiten: freitags 16 bis 18 Uhr, samstags & sonntags 14 bis 18 Uhr

Kischka studierte von 2009 bis 2014 Fotografie an der Folkwang Universität und der Mimar Sinai Universitesi Istanbul. Daran schloß sie von 2015 bis 2019 ein Masterstudium der Medien- und Kulturwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf an. Ihre Arbeiten haben bereits Eingang in Privatsammlungen und das Stadtmuseum Düsseldorf gefunden. Publiziert wurden sie außerdem in den Zeitschriften Photonews, Hant magazine, njuuz, Dekamired und S-Magazine. In ihrer seit 2012 bestehenden Ausstellungspraxis zeigte Kischka ihre Arbeiten vielfach in Essen und Düsseldorf, aber auch in Polen, der Türkei und weiteren Städten im Ruhrgebiet und Bergischen Land. 

Finale 2024

Wie in jedem Herbst zeigen auch in diesem Jahr die Absolventinnen und Absolventen des Fachbereichs Gestaltung ihre Abschlussarbeiten: beim Folkwang Finale 2024.

Zu sehen sind die Bachelor- und Masterprojekte aus den Studiengängen Fotografie, Kommunikationsdesign und Industrial Design.

Die Vernissage ist am 26. September 2024, geöffnet ist dann vom 27. September bis zum 6. Oktober 2024, wie immer im SANAA-Gebäude. Der Eintritt ist frei!

Was kommt?

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  • ⟶ 15. Mai bis 15. September 2024
  • »Leap of faith: Transmediale Fotografie«
  • Jahresausstellung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste
  • Kuratiert von Prof. Dr. Steffen Siegel
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  • ⟶ 27. September bis 6. Oktober 2024
  • Finale 2024
  • SANAA-Gebäude
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  • ⟶ 23. Januar bis 27. April 2025
  • Photography Masters
  • Museum Folkwang
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  • ⟶ 24. Januar 2025
  • Studien-Infotag
  • Quartier Nord
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  • ⟶ 30. Januar bis 16. Februar 2025
  • Stopover 2025 – Die Ausstellung
  • SANAA-Gebäude, 1. OG
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  • ⟶ 5. Februar 2025
  • Stopover 2025 – Der Workshop
  • SANAA-Gebäude, 2. OG
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  • ⟶ 6. und 7. Februar 2025
  • Best Practice? Fotografische Vor- und Nachlässe
  • 2. Symposium des Zentrums für Fotografie Essen
  • Ausgerichtet im Museum Folkwang und Ruhr Museum
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Rundgang 2024

Save the date!

Vom 18. bis zum 21. Juli 2024 begrüßen die Studierenden des Fachbereichs Gestaltung alle Interessierten zum Rundgang 2024 im Quartier Nord der Folkwang Universität der Künste.

Die Öffnungszeiten: Donnerstag 19–22 Uhr, Freitag 12–22 Uhr, Samstag 12–20 Uhr, Sonntag 12–19 Uhr.

Das ausführliche Programm findet sich hier.

 

Galerie 52 im Sommersemester 2024

Gestaltung des Plakats: Thomas Kühnen

Das Programm unserer Galerie 52 im Sommersemester 2024

18. bis 27. April 2024
Juri Löchte
»fluid resonance«

2. bis 14. Mai 2024
Jana Stormanns, Lennart Pimpl
»202452-JSxLP«

23. Mai bis 1. Juni 2024
Eleonora Arnold, Linda Hu Hafeneger
»Ready when you are«

27. Juni bis 6. Juli 2024
Anna Kebe
»es gibt keine sackgassen«

Ab 10. Juli 2024
Bachelor-Studierende des 2. Semesters
»Wohin die Reise führt«

 

 

Leap of faith: Transmediale Fotografie

»Leap of faith« bezeichnet einen riskanten Sprung, bei dem nicht sicher ist, ob die Landung glücken wird. Kann die Fotografie unserer Gegenwart einen solchen Sprung wagen? Hin zu neuen Bildern und mit ihnen zu einer neuen Orientierung in der Welt? Und im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz stellen sich weitere, dringende Fragen: Sind fotografische Bilder zur bloßen Glaubenssache geworden? Oder gibt es weiterhin Grund, ihnen Vertrauen zu schenken?

Die zeitgenössische Bildende Kunst kann hierauf ganz eigene Antworten geben, und sie tut dies in einer überraschenden Vielfalt fotografischer Formen: als Tableau, in Skulpturen und Installationen oder als Video. Programmatisch setzt die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und Künste in ihrer aktuellen Jahresausstellung künstlerische Positionen in den Mittelpunkt, die Grenzen des Medium überschreiten und über die Zukunft der Fotografie nachdenken.

Kuratiert wird die Ausstellung von Steffen Siegel, Professor für Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang Universität der Künste.

Ausgewählt wurden Künstlerinnen und Künstlern, die in Nordrhein-Westfalen arbeiten. In einem intermedialen Parcours werden Werke zu sehen sein von Ale Bachlechner, Johannes Bendzulla, Enya Burger, Tony Cragg, Max Dauven, Mara Fischer, Philipp Goldbach, Alex Grein, Mischa Kuball, Alwin Lay, Katharina Ley, Joanna Nencek, Johannes Raimann, Rebecca Ramershoven & Jakob Schnetz, Sebastian Riemer, Simon Ringelhan, Thomas Ruff, Adrian Sauer, Berit Schneidereit, Sophie Thun und Christopher Williams.

Die Eröffnung findet am Mittwoch, den 15. Mai 2024 ab 18 Uhr in der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in der Düsseldorfer Palmenstraße statt. Sie wird zu sehen sein bis zum 15. September 2024.

Key Visual: Enya Burger, The world as a phantom.

 

 

Stopover 2024 – Die Ausstellung

Bei der jährlichen »Stopover« Ausstellung geben die Studierenden des dritten Semesters im Master-Studiengang Photography Studies and Practice Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen. Die unterschiedlichen Positionen eint ihr individueller Zugriff auf die Wirklichkeit: Sie fächern ein breites Spektrum an Interessen im Umgang mit der Fotografie auf. Von Auseinandersetzungen mit der Wirklichkeit im Sinne einer künstlerisch-dokumentarischen Fotografie bis zu Interessen am Material selbst wird Fotografie auf seine Möglichkeiten und Erscheinungsformen hin befragt und reflektiert.

Erstmals bietet die eindrucksvolle 1. Etage des SANAA-Gebäude auf dem Weltkulturerbe Zollverein den Schauplatz für die Ausstellung. Sowohl die einzigartige Architektur des SANAA-Gebäudes als auch das Konzept von Stopover ermutigen die Studierenden dazu, ihre noch im Prozess befindlichen Arbeiten nicht zuletzt in ihren Präsentationsformen experimentierfreudig zu erproben. Gezeigt werden Arbeiten von Murat Akbayrak, Ilkin Guliyev, Jan Oliver Heise, Chennan Jin, Patrick Lohse, Nina Mokhtarbaf, Joanna Nencek, Tobias Nielsen, Franca-Maisha Oettli, Sora Park, Laura Pecoroni und Manuel Rieder.

Begleitend zur Ausstellung ist ein gedruckter Katalog erschienen, der auf 16 Seiten alle Werke vorstellt und der sich hier als PDF herunterladen lässt. Gestaltet wurde er von Laura Pecoroni.


 

Galerie 52 im Wintersemester 2023/2024

Die Galerie 52 zeigt in diesem Wintersemester insgesamt sechs Ausstellungen – und wie stets sind alle Interessierten innerhalb wie außerhalb der Folkwang Universität der Künste herzlich willkommen, bei den Eröffnungen dabei zu sein oder während der Laufzeit der Ausstellung ins Quartier Nord zu kommen! Die Eröffnungen beginnen stets um 18 Uhr mit einem Gespräch mit den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern, ab 19 Uhr gibt es dann einen kleinen Empfang. Wir freuen uns auf euch!

26. Oktober 2023
Kara Bukowski
Zaman su gibi akar (time flows like water)

9. November 2023
Louis Hackl, Hossein Mousavifaraz
tba

7. Dezember 2023
Ines Bohnert, Joanna Flösser, Marie Lansing
in meiner Hülle

21. Dezember 2023
Silviu Guiman
We Move Mountains

18. Januar 2024
Studierende des Lehrgebietes Fotografie, Bauhaus Universität, Weimar
(verantwortlich Pio Rahner)
Paradies -> 50m

1. Februar 2024
Aus der künstlerischen Fotografie
(verantwortlich Prof. Christopher Muller)
To Be Announced

 


 

Finale 2023

Gestaltung: Viktor Lentzen und Daniel Kobert

Wie in jedem Herbst zeigen wir auch 2023 im SANAA-Gebäude auf Zeche Zollverein sämtliche Abschlussarbeiten des letzten Jahres, die in den B.A.- und M.A.-Studiengängen von Fotografie, Industrial Design und Kommunikationsdesign entstanden sind.

Für die Fotografie sind bei diesem großen »Finale« insgesamt zwanzig Studierende des B.A. Fotografie dabei und acht aus dem M.A. Photography Studies and Practice. Ihr Studien abgeschlossen haben außerdem fünf Studierende des M.A. Photography Studies and Research. Eine Zusammenfassung ihrer Arbeiten findet sich in der auch in diesem Jahr aufgelegten Finale-Zeitung, die auch alle künstlerischen Arbeiten vorstellt!

In den kommenden Wochen werden wir die Abschlussarbeiten auf unserem Instagram-Kanal ausführlicher vorstellen!

Die Ausstellung wird am 28. September 2023 um 18 Uhr eröffnet und ist dann täglich bis zum 8. Oktober 2023 im SANAA-Gebäude zu sehen. Der Eintritt ist frei. Wir freuen und auf euer Kommen!

Auch in diesem Jahr lag die Gestaltung des Plakates und der Zeitung in den Händen von Viktor Lentzen und Daniel Kobert.

 

Galerie 52 im Sommersemester 2023

Nach langer, durch die Pandemie erzwungener Pause ist die Galerie 52 im Sommersemester 2023 endlich wieder mit einem vollständigen Programm präsent! Zu sehen sein werden insgesamt sechs verschiedene Ausstellungen, zwei davon mit Gästen außerhalb der Hochschule. Wir halten an der guten Tradition fest: Die Eröffnungen finden stets an einem Donnerstag um 18 Uhr statt und werden durch ein Gespräch mit den ausstellenden Künstler:innen begleitet.

20. April 2023
Majid Moussavi (B.A. Fotografie)
»Die Einsamkeit ist kein elender Zustand«

4. Mai 2023
Nick Jaussi (M.A. Photography Studies and Practice)
»N 52° 13' 56.018743 E 20° 59' 5.06586 Koordinaten der Krise«

25. Mai 2023
Graz: Erich Kees (1916–2006) & Simon Baptist (B.A. Fotografie), Anna Jocham (Alumna B.A. Fotografie), Teresa Thomaschütz (B.A. Fotografie), Larissa Zauser (B.A. Fotografie)
»[ʁeː]«

Anlässlich dieser Ausstellung:
Jasmin Haselsteiner-Scharner: Vortrag zum fotografischen Werk von Erich Kees

15.6.2023
Karoline Martin (M.A. Design Futures)
»Kein Fenster«

29. Juni 2023
Studierende des Lehrgebietes Fotografie, Kunsthochschule für Medien Köln (verantwortlich Prof. Beate Gütschow, Max Dauven)

13. Juli 2023
Murat Akbayrak (M.A. Photography Studies and Practice)
»Monkey Wrench«

Rundgang 2023

Einmal im Jahr, stets im Juni, lädt der Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität der Künste zum Rundgang ins Quartier Nord. Dieses Jahr findet er vom 22. bis zum 25. Juni statt. Wir freuen uns sehr, euch alle hierfür bei uns auf Zollverein zu begrüßen!

Vier Tage lange öffnen wir unsere Türen, um allen interessierten Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit zu geben, einen Einblick in das Schaffen unserer Studierenden zu geben. Neben einer Vielfalt an begonnenen oder schon abgeschlossenen Arbeiten, Projekten, Skizzen, Fotografien, Filmen und Skulpturen werden auch kleine, gemeinsame Ausstellungen von Kursen und Fachgruppen zu sehen sein.

Hiermit einher geht ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Workshops (Self-Repair, Yoga, Zeichnen), Führungen und Live-DJs. Besonders freuen wir uns, künstlerische Disziplinen der anderen Fachbereiche an Folkwang, mit Live-Konzerten, Tanz, Komposition, Schauspiel und Physical Theatre Performances bei unserem Rundgang eine Plattform zu geben zu dürfen.

Ganz obligatorisch ist Samstagabend auch die diesjährige Rundgang-Party mit erstmals zwei separaten Floors, auf denen ein divers zusammengestelltes Programm an DJs bis früh am Morgen auflegen wird.

Für abwechslungsreiche Ess- und Trinkgelegenheiten wird neben dem studentisch geführten Café (2.OG) und der Rundgang x Fachschaft Nord-Bar ausreichend gesorgt.

Wir freuen uns auf dieses große interdisziplinäre Fest!

Stopover 2023

Seit dem 19. Januar 2023 zeigen wir in den Räumen des Museum Folkwang unsere aktuelle Ausgabe der jährlichen Master-Ausstellung STOPOVER.

Bis zum 11. Juni stellen sieben Studierenden des 3. Semesters im M.A. Photography Studies and Practice ihre Arbeiten aus: Volker Crone, Mara Fischer, Marie Lansing, Philipp Niemeyer, Martin Ruckert, Gloria Ruiz Melendez und Julia Unkel.

Außerdem haben am 27. Januar 2023 sechs Studierende im M.A. Photography Studies and Research – Dortje Fink, Tabea Funke, Sarah Gramotke, Deborah Herber, Malte Radtki und Meike Reiners – im Museum Folkwang einen eintägigen Workshop veranstaltet: »Mit Fotografien umgehen: analysieren. archivieren. historisieren. konstruieren. schießen. schulden«. Zu Gast waren Prof. Dr. Burcu Dogramaci aus München und die Berliner Künstlerin Viktoria Binschtok.

und »alles hängt mit allem […] zusammen«

Auch in diesem Jahr sind wir beim. f2 Fotofestival in Dortmund mit einer eigenen Ausstellung dabei:

und »alles hängt mit allem […] zusammen«

zeigt Arbeiten von Moayad Balo & Gregor Leiprecht, Charlotte Chapuis, Leon Düllberg, LuisaFeier, Gustav Glas, Elisa Heinrichs, Jonathan Heitkämper, Anthonja Herold, Marie Laforge, Julius Schmidt, Kelun Wang, Kristina Wolf, Moritz Wondrak und Larissa Zauser.

Die Fotografie-Student*innen der Folkwang Universität der Künste haben das diesjährige Festival-Thema »Globalität in Dortmund« zum Anlass genommen, die eigene Arbeit aus einem anderen Blickwinkel heraus zu befragen. Die Reflexion des Begriffs forderte zum Nachdenken über Komplexität, Vielfalt, Gegensätze und Widersprüche auf, die dem globalen Wandel innewohnen. So zeigt sich in den Arbeiten der Studierenden, die allesamt von einer experimentierfreudigen Auffassung geprägt sind, das Lokale und Globale, das individuelle und kollektive Erleben als eine Folge komplexer Wechselwirkungen.

SUPERRAUM, Brückstraße 64, 44135 Dortmund
Eröffnung: Freitag, 2. Juni um 16.30 Uhr
Ausstellungsdauer: 3. bis 22. Juni 2023
Öffnungszeiten: dienstags 12–16 Uhr, mittwochs 14–18 Uhr, donnerstags 16–19 Uhr, am Wochenende 11–18 Uhr

Außerdem wird es im Rahmen des f2-Fotofestival am 10. und 11. Juni einen von Studierenden der Folkwang Universität der Künste initiierten Büchertisch geben, der sich ausschließlich dem studentischen Fotobuch widmet. 

BILD FÜR BILD: Das studentische Fotobuch

Ort: Fotostudio im Depot e.V.
Immermannstraße 29
44147 Dortmund
10. und 11. Juni, 11–18 Uhr


 

Easy Tools

Christopher Muller: Bookcase, 2021.

Christopher Muller, Professor für künstlerische Fotografie, zeigt im Kunstverein Ruhr seine Ausstellung »Easy Tools«. Er thematisiert in seinen Stillleben nicht nur das Verhältnis der Dinge zueinander, sondern zugleich auch unsere Sicht darauf. Seine Bilder verdeutlichen, dass wir in einem komplexen Geflecht von Gefühlen, Vorlieben und Abneigungen stecken, das auch unsere Erwartungen und Handlungen im Alltag beeinflusst. Mullers Bilder zeigen Alltägliches, Normales, anscheinend Beiläufiges und sensibilisieren uns doch auf erstaunliche Weise für die Mechanismen unserer eigenen Determiniertheit. Der Künstler entwickelt für diese Ausstellung ganz neue Arbeiten im Bereich Stillleben, Collage und Malerei und wird sie zur Premiere im Raumkontext des Kunstvereins vorstellen.

Die Ausstellung definiert sich nicht allein durch das perfekte Nebeneinander von Werken an den Wänden, sondern durch die mit ihrer Hilfe stimulierte und aktivierte Betrachtungsweise. Das hängt damit zusammen, dass die Arbeiten untereinander korrespondieren und in ihrer Konstellation immer mehr ergeben als nur die Summe ihrer Einzelelemente. Sie versetzen uns in die Lage, uns unserer eigenen Rolle als Betrachtende bewusst zu werden und lösen etwas in uns aus, das mehr ist als interesseloses Wohlgefallen. Das große Schaufenster des Kunstvereins macht die Ausstellung einsehbar und sorgt für eine Anbindung an das innerstädtische Umfeld.

Zu sehen ist die Ausstellung vom 5. März bis zum 21. Mai 2023 im Kunstverein Ruhr am Kopstadtplatz 12 in Essen. Geöffnet ist Dienstag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr und am Wochenende von 14 bis 17 Uhr.

Das Museum Folkwang erwirbt eine Arbeit von Volker Crone

Volker Crone: Nothing Is Easy #1 (Detail), 2023. Durchlöcherter C-Print, 180cm × 120cm.

Wir haben sehr gute Nachrichten aus dem Museum Folkwang! Unsere derzeit im UG des Museums gezeigte Ausstellung STOPOVER 2023 wird im kommenden Juni nicht vollständig ausziehen. Mit Unterstützung der Förderer der Fotografischen Sammlung konnte die Arbeit »Nothing Is Easy #1« unseres Master-Studenten Volker Crone für die Fotografische Sammlung erworben werden. Wir freuen uns sehr und gratulieren herzlich!

Another Utopia

Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 waren viele Menschen gezwungen, aus Afghanistan zu fliehen. Vor allem Frauen mussten ihre Heimat verlassen, weil sie Racheakten und Gewalt ausgesetzt waren. Viele Frauen versteckten sich aufgrund ihrer politischen und sozialen Aktivitäten. Diejenigen, die ihre Heimat verlassen haben, müssen sich in einer neuen Umgebung mit neuen Rollen und Gesellschaftsstrukturen auseinandersetzen, während sie gleichzeitig versuchen, Traditionen wie das Tragen des Hijabs zu bewahren. Diese doppelte Herausforderung thematisiert die Künstlerin Fatemeh Rezaie in ihren Fotografien unter dem Titel »Ajenda / Die Fremde« (2021–2022).

Die Dokumentarfotografin Nina Moktharbaf, Studentin im M.A. Photography Studies and Practice, thematisiert in ihren Arbeiten »A Battle of Life / Eine Schlacht des Lebens« die täglichen Kämpfe im Leben junger Sportlerinnen im Iran. Am Beispiel der Profi-Kickboxerin Shabnam Shahrokhi zeigt sie, dass harte Arbeit, Entschlossenheit und Hoffnung immer Faktoren des Erfolgs sind. Vielen Sportlerinnen im Iran und darüber hinaus mangelt es nicht nur an Unterstützung, sie haben zudem große Mühe, aus eigener Kraft an Wettkämpfen teilzunehmen. Shabnam Shahrokhi gibt immer wieder ihr Bestes und hofft auf eine Zukunft, in der Frauen ihren Weg durch die kontinuierlichen Bemühungen der Frauen vor ihnen leichter gehen können.

Eine Veranstaltung der Academy in Exile in Kooperation mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI), der Folkwang Universität der Künste und freundlicher Unterstützung von CITY OF GOLD.

Die Eröffnung ist am 8. März 2023, dem Internationalen Tag der Frau, um 18 Uhr und ist dann bis zum 18. März täglich von 16 bis 19 Uhr geöffnet. CITY OF GOLD, Altenessenerstr. 77, 45141 Essen.

Franz Göttfried Portraits

Nach längerer, pandemiebedingter Pause wird in diesem Wintersemester die Galerie 52 wiedereröffnet. Den Auftakt macht eine besondere Ausstellung: »Archiv Franz Göttfried« spiegelt die Auseinandersetzung von Simon Baptist, Student im B.A. Fotografie, mit den von ihm entdeckten Glasplatten des Bauern und Fotografen Franz Göttfried. Entstanden sind die Bilder in den 1920er bis 1940er Jahren im Ort St. Lambrecht in Österreich.

Franz Göttfried (1903–1980) porträtierte Menschen aus seinem persönlichen Umfeld. Die hierbei entstandenen Bilder geben einen Einblick in das bäuerliche Leben der Zwischenkriegszeit. Sie zeigen die Menschen von St. Lambrecht an Feiertagen, bei ihrer täglichen Arbeit, oder anderen Zusammenkünften. Nach einem schweren Schicksalsschlag in den frühen 1970er Jahren hat Göttfried einen Großteil seiner Fotografien zerstört. Etwa 500 Glasnegative im Format 9 × 12 cm haben aber in seinem Heimathaus überlebt. Diese Glasplatten befanden sich in den ursprünglichen Verpackungen der Hersteller. Auf der Innenseite der Deckel dieser Schachteln hat er Bildtitel und die Namen der fotografierten Personen notiert.

Inzwischen wurden die gefundenen Glasnegativen sorgfältig digitalisiert. In Form hochwertiger Prints werden sie in der Ausstellung zu sehen sein. Auf Basis der Recherchen über den Fotografen und ausführlichen Gesprächen und Interviews mit Zeitzeug:innen entstand im Jahr 2021 in Zusammenarbeit mit Pia Jakober und Motahar Amiri eine 5-Kanal Videoinstallation (33:33min, loop) die neben Modern Prints des Archivs Franz Göttfried in der Ausstellung zu sehen ist.

Simon Baptist studiert seit 2017 Fotografie an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Er hat sich auf dem ehemaligen Hof Franz Göttfrieds ein Atelier eingerichtet und begann sich in der Folge für diese Negative zu interessieren. Hier begannt er auch mit der Aufarbeitung des Archivs, die seit 2020 in enger Kooperation mit dem FOTOHOF archiv in Salzburg geschieht.

Geöffnet ist die Ausstellung vom 28. Oktober bis 30. November 2022 im Quartier Nord der Folkwang Universität der Künste. Der Eintritt in die Galerie 52 ist frei. Die Öffnungszeiten entsprechen denen des Quartier Nord.

Finale 2022

Gestaltung: Viktor Lentzen & Daniel Kobert

Wie in jedem Jahr bedeutet der Beginn des Herbstes für uns einen Endspurt: Im großen Folkwang Finale präsentieren 79 Absolvent*innen der letzten beiden Semester ihre Abschlussarbeiten (Bachelor und Master) und geben Einblicke in die aktuellen Fragen der Bereiche Fotografie, Industrial Design und Kommunikationsdesign. Die Ausstellung findet im SANAA-Gebäude am Folkwang Campus Welterbe Zollverein statt.

Die Bandbreite der Arbeiten reicht von Fotografien, Videos, Zeichnungen, Objekten und Installationen bis hin zu grafischen Positionen, Renderings und Simulationen. Mit dabei sind unter anderem eine Lötrauchabsaugung, die Arbeitsschutz demokratisieren soll, eine Fotoserie, die Veränderungen in bewohnten Zimmern darstellt, sowie eine spekulative Arbeit, die Rituale und Artefakte hinterfragt, die den Tod oft verhüllen und distanzieren.

Die Eröffnung des Folkwang Finales 2022 findet am Donnerstag, den 29. September, um 19.00 Uhr im SANAA-Gebäude, Gelsenkirchener Str. 209, statt. Anschließend ist die Ausstellung von Freitag, 30. September, bis Sonntag, 09. Oktober, täglich von 12.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

... keine Stadt, keine Stelle, kein Standort, der bestehen bleibt

Anlässlich des Folkwang Rundgangs 2022 laden wir herzlich dazu ein, vom 23. bis 26. Juni in der Pfarrkirche Heilig-Geist in Essen-Katernberg vorbeizuschauen. Die Kirche liegt in unmittelbarer Nähe zur Zeche Zollverein und unserem Hauptgebäude, dem Quartier Nord. Sie wurde zwischen 1955 und 1957 nach den Plänen des Architekten Gottfried Böhm erbaut und steht inzwischen unter Denkmalschutz. Sie soll demnächst profaniert werden.

Präsentiert werden dort Arbeiten des zweiten Semesters B.A. Fotografie der Folkwang Universität der Künste. Alle Arbeiten sind in der Pfarrkirche und in Auseinandersetzung mit dem Raum, seiner Bedeutung und seiner Geschichte entstanden. Mit ihren Fotografien und installativen Eingriffen versuchen die Studierenden auf vielfältige Weise den Charakter und die architektonische Atmosphäre des Ortes zu visualisieren. Die räumliche Beschaffenheit wird aus ganz unterschiedlichen Beweggründen auf ihre Materialität, Farbigkeit, Konstruktion und Funktion hin untersucht. Die Kirche als Ausstellungsraum für künstlerische Arbeiten zu nutzen, fordert stets zu einer Neuinterpretation des Ortes auf. So werden alle Arbeiten mit der Absicht präsentiert, die Interaktion zwischen Bild, Ort und Raum zu mobilisieren und eine neue Sicht auf den Kirchenraum vorstellbar zu machen.

Zu sehen sind Arbeiten von Jasmin Ahmad, Julian Duprat Petrich, Maximilian Cyrill Esters, Johanna Kastner, Annika Käufer, Andreas Keddeinis, Luise Klemann, Lennart Pimpl, Konstantin Pütz, Jonas Schlütter, Jana Stormanns, Robin Thomas und Lena Zülch.

Eröffnung ist am Donnerstag, 23. Juni von 20 bis 21 Uhr. Führungen durch die Ausstellung Samstag und Sonntag von 15 bis 16 Uhr. Geöffnet Freitag bis Sonntag, 14 bis 18 Uhr. Ort: Pfarrkirche Heilig-Geist, Schonnebeckhöfe/Meybuschhof, 45327 Essen.

Projektbetreuung: Prof. Gisela Bullacher

Rundgang 2022

Acht Buchstaben hat der Rundgang, und in diesem Jahr wird er endlich wieder vier Tage dauern können: vom 23. bis zum 26. Juni auf der Zeche Zollverein. Studierende aller Fachgruppen des Fachbereichs stellen gemeinsam aus – und natürlich ist auch die Fotografie mit dabei. Neben unserem Hauptgebäude im Quartier Nord auch in der Heilig-Geist-Kirche des Architekten Gottfried Böhm. Einige wenige Schritte vom Quartier Nord entfernt, ist es eine einmalige Gelegenheit, neben der Ausstellung selbst auch die spektakuläre Architektur vor ihrem baldigen Umbau zu einer Kunstgalerie zu besichtigen.

Save the date! Wir freuen uns darauf, nach zwei digitalen Rundgängen wieder persönlich vor Ort zu sein!

Fortlaufend aktuelle Nachrichten gibt es auf der Website des Rundgangs sowie auf Instagram.

Kritik

Gloria Ruiz Melendez on the Exhibition »On Display«

»On Display«, exhibition view at Kunstmuseum Ahlen, 2022. Photo: Samuel Solazzo.

The Unattainable Border
By Gloria Ruiz Melendez

»A wormhole«, I wrote in my note app as the first impression of the double feature in the Ahlen Kunstmuseum: »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! Die frühen Jahre der Fotografie« and »On Display: Der Körper der Fotografie«. A feeling of symmetry, of a mirrored image, of a question as old as the technology of Photography: Where do the possibilities end? Is there more? Questions asked in the 19th century with a resonance in today’s contemporary Art and Photography theorization and practice world, not only in this specific set of expositions but also in others that aim to reflect on the very nature of the limits of the medium, in a time when photography has become absolutely immersive in our everyday life, integrated into our routine as something that it’s »there« and we seldom think about. Photography has become the way we see and not the other way around, a mass of data that flows with a life of its own, like a river.

In »On Display: Der Körper der Fotografie«, more than an exploration body, it’s the attempt of digging it to its bones, confronting the audience with the notion that we’re watching, confronting us with our expectations around photography in our private and public life, something mundane but also intimate. Joan Fontcuberta explains in »Photography, Crisis in History«: In Photography two facets have necessarily coexisted: (1) the image as visual information (2) the physical support of a medium, objectual dimension. In the daguerreotype, the plate embodies an image. In the archive, the information aspect prevails. In a museum, it’s the objectual aspect. On Display takes on the specific task to scratch, taking techniques and methods of the past into a contemporary while »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! with their stereographs, which have been the basis of the very contemporary world of Augmented Reality and Virtual Reality, reminds us that this urge to grasp reality in new and more encompassing ways has been a part of the very nature of Photography since it’s conception.

The rules about photography keep changing and getting looser, as nowadays we’re able to create images that don’t really exist, and Artificial Intelligence can combine, merge and interpret images in a way that sounded like science fiction only mere decades ago. The urge to adopt and reject technology, the urge to keep photography in »its body«, like a reversed exorcism, when Photography seems to start losing its materiality and becoming pure data. Photography is about control, but also about leaving room for coincidence and exploration while finding a lot of the same urges in the neighbor Exposition: »to have been there«, memories, events, the word Truth.

Where does the border lie? For Photography, it feels like the Borgean »Book of Sand«: never-ending, shapeshifting, always bringing a new page into a seemingly never-ending book.

Gloria Ruiz Melendez has been a DAAD student at Folkwang University of the Arts since 2021.

On Display: Sarah Gramotke über die Fotogramme von Eleonora Arnold und Simon Ringelhan

Eleonora Arnold: Frames: Silber, Herz, Schnee, 2022. Installationsansicht Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Selbstbewusste Objekte? Blick auf Dinge durch das Fotogramm
Von Sarah Gramotke

Die fotografischen Bilder von Eleonora Arnold sind ohne Kamera entstanden. Es handelt sich vielmehr um Fotogramme, eine Spielart des Fotografischen, die in der Ausstellung außerdem durch Simon Ringelhan vertreten ist. Objekte werden wie bei einem Röntgenvorgang auf einer fotosensitiven Oberfläche dem Licht ausgesetzt. Wo kein Licht hinfällt, wird das Papier folglich nicht schwarz, sondern bleibt weiß. Das Licht erhellt nicht, sondern verdunkelt. Eleonora Arnold zeigt transluzide Rahmen mit in Flüssigkeit schwimmenden Herzen, silbrigen Glitzerpartikeln und Schnee, keine auf klassische oder gar normative Kunst verweisende Goldrahmen.  Der ebenfalls gezeigte barocke LED-Rahmen kommt ganz ohne Glanz daher. Sechs Lämpchen schlagen sich in rot-orangenen bis gelben Rahmeninhalt, innen wird ein sich hell abgesetzter Rahmen aufgeworfen. Dabei entfaltet er eine ganz eigene Aura. So werden die sich in ihrer Bedeutung aufspaltenden fotografischen Objekte vor Augen geführt, wie das Meer, das Simon Ringelhan mit Blitzlicht erst auf Fotopapier und dann in eine Holzkiste gebannt hat.

Welche Rolle kommt den fotografischen Objekten der Fotogramme Arnolds und Ringelhans zu? Der Fotopionier William Henry Fox Talbot war überzeugt davon, dass fotografische Objekte wie Gebäude von sich selbst mit Licht ein eigenes Bild malen. Wenn auch Menschen mit Bakterien einen sich ändernden Teil nichtmenschlicher Zellen beherbergen, warum sollte den Dingen dann ein Eigenleben abgesprochen werden? Solche, die den Fotogrammen das Element des Unvorhersehbaren hinzufügen?

Es fällt aufgrund Arnolds spielerischer Herangehensweise leicht, bei ihren Werken über die Art der Repräsentationen, den direkten Zugang zur physischen Welt, nachzudenken. Auch wenn das als erste erhaltene Fotografie bezeichnete Bild einen Ausblick aus dem Fenster zeigt, war die Realität schon immer zu komplex, um von Fotografien in einen Rahmen gefasst zu werden. So gesehen lässt sich von wortwörtlichen Rahmen auf metaphorische Rahmungen schließen, seien es Museen oder Diskursräume, in denen Auswahlprozesse wie Bilderrahmen oft unbemerkt bleiben. Was werden wir in Zukunft als »einrahmenswürdig« empfinden? Was macht uns Menschen aus und wie produzieren wir kulturelle Rahmungen, auch durch Fotografien?

Angesichts der aktuell gegenläufigen Entwicklung analoger Wiederkehr und digitaler Fotografie lässt sich Arnolds Arbeit als eine Hommage an die Fotogeschichte lesen, die zugleich in die Zukunft weist: Durch künstliche Intelligenz benötigt es zur Bildschaffung bald wohl keine Kameras oder andere Apparate mehr, kein die Fotografie definierendes Licht, keine Farbe oder Materialität, da aus einem großen KI-Archiv genau maßgeschneiderte Fotos geschöpft werden können. Selbst porträtieren kann sich eine KI jedoch nicht, da sich das Menschliche unwiderruflich eingeschrieben hat, wie auch in die Bilderrahmen. Fotogramme sind genauso auf Menschen angewiesen wie Algorithmen. So stellt sich die Frage, ob es nichtmenschliche Fotografie überhaupt geben kann, ebenso wie menschliche Fotografie.

Sarah Gramotke studiert seit 2021 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

On Display: Annekathrin Müller über Larissa Zausers »Cumulus (Haufenwolken)«

Larissa Zauser: Cumulus (Haufenwolken), 2022. Installationsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Cumulus – diesseits und jenseits des latenten Bildes
Von Annekathrin Müller

Die Erfindung fotografischer Verfahren war eng mit dem Wunsch verbunden, mit Hilfe des Lichtes erzeugte Bilder haltbar zu machen und sie damit länger als für einen Augenblick sichtbar werden zu lassen. Lange bevor Louis Jacques Mandé Daguerre in Frankreich und William Henry Fox Talbot in England mit ihren 1839 veröffentlichten Methoden das Lichtbild zu fixieren wussten, spielten Bildprojektionen eine wichtige Rolle. Als Apparate hierfür kamen zum Beispiel die Camera Obscura und später die Laterna Magica zum Einsatz. Mit der Camera Obscura konnten die Bilder jedoch nur in dem technischen Körper, in dem sie erzeugt wurden, betrachtet werden. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts fanden beständige Lichtbilder große Verbreitung. Nachdem die ersten Schritte getan waren, bannte man sie fortan auf Trägermaterialien sehr unterschiedlicher Art.

Die Anordnung der Apparaturen in Larissa Zausers Arbeit »Cumulus (Haufenwolken)«, 2022, vereint Mechanismen der Projektion mit denen des Fixierens. In einer begehbaren Lochkamera wird über einen Spiegel jenes Bewegtbild umgeleitet, das außen vor der Kamera auf einem Flachbildschirm erscheint. Es trifft auf lichtempfindliches Papier eines leeren Buches, das im Inneren der Camera Obscura zur Belichtung ausgelegt ist. Im Anschluss an die Ausstellungslaufzeit wird Zauser die Buchseiten im Labor entwickeln – die entstandenen Belichtungen zeugen damit von dem Zeitraum, den wir gerade erleben. Auf diese Weise verwandelt sich ein bereits festgehaltenes Bild wieder in ein latentes, um schließlich erneut zu einer permanenten Erscheinungsform zu finden. 

Zugleich umfasst die Arbeit mehrere, für uns heute geläufige Möglichkeiten zur Betrachtung von Fotografie: Neben die Wiedergabe digitaler Bilddateien auf einem Monitor sowie die Projektion tritt der klassische analoge Abzug auf Fotopapier, der zusätzlich in das Gewand des Fotobuchs gekleidet ist. Dass die auf dem Flachbildschirm wie Wolken vorüberziehenden Bewegtbilder von EarthTV.com stammen und – minimale Verzögerungen eingerechnet – den aktuellen Wetter-Status verschiedener Städte rund um den Globus in Echtzeit in den Ausstellungsraum streamen, ergänzt das ohnehin komplexe Verhältnis zwischen apparativ aufgezeichneter Realität und Zeit um weitere Ebenen.

Jean Baudrillard stellte fest, dass Digital- und Videobilder, die in Echtzeit ablaufen, nicht den diskreten Charme eines früheren Lebens hätten. Eigentlich sei es aber diese leichte Zeitverschiebung, die es dem Bild möglich mache, als solches zu existieren, als die von der realen Welt verschiedene Illusion. Larissa Zauser hat diese Modi in ihrer Komposition miteinander verwoben. Im Hinblick auf die Zukunft und neue technische Möglichkeiten ergeben sich in Anlehnung daran weitere Spekulationen zum Illusionscharakter apparativ generierter Bilder. Ich frage mich, ob sich auch imaginäre Bilder eines Tages projizieren lassen?

Annekathrin Müller studiert seit 2020 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

On Display: Hao Wen über Anna Traskalikovás »Bildermaschine«

Anna Traskaliková: Bildermaschine (Detail), 2022. Installationsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Das fotografische Objekt und die Arbeit von Anna Traskaliková
Von Hao Wen

Als ich 10 Jahre alt war, zeigte mir mein Großvater ein Familienfotoalbum. Er erzählte mir, wer, wann, wo und was geschehen war. Dies ist die früheste Erinnerung, die ich an ein fotografisches Objekt habe, das eine Realität in mein Leben brachte, die ich nie zuvor erlebt hatte, und mir das echte Gefühl gab, in der Zeit zu reisen und dabei zu sein. Was ist aber heute ein fotografisches Objekt? Wenn ich über diese Frage nachdenke, versuche ich zunächst, das Element der Fotografie zu entfernen und zu überlegen, was ist ein Objekt? Ungeachtet der rasanten Entwicklung von Technik und Materialien ist das Erkennen der ursprünglichen Bedeutung und des Zwecks eines Objekts von Anfang an eine Voraussetzung dafür, ein Objekt im Kontext der Fotografie oder der Kunst zu verstehen.

In der Ausstellung nutzt die Künstlerin Anna Traskaliková Computertechnologie und eine einzigartige Art der Präsentation, um unsere Wahrnehmung der Dinge zu verändern. So erklärt sie ihre Arbeit: »Es ist nicht das Bild oder das Material, es ist das dazwischen, der Referenzraum, der eine Bild trägt. Elektrisierte Bilder werden zudem von einem Strom aus Licht, Wärme und völliger Dunkelheit und der Interferenzen dieser getragen.« Als ich ihre Arbeit sah, hatte ich ein wunderbares Gefühl – wie damals, als ich als Kind das erste Mal das Familienalbum sah. Also habe ich Anna ein paar Fragen gestellt.

H: Ich finde deine Arbeit ist wie ein fotografisches Objekt, besonders die fotografische Installation, die von dir selbst aufgebaut ist. Wie wichtig ist es, dass diese Installation von dir selbst aufgebaut wird?

A: Ich bin sicher, dass auch dann, wenn ich jemandem genau sagen würde, wie er die Installation aufbauen soll oder die Fotos »filtern« soll, andere Ergebnisse entstehen würden. Es ist mir sehr wichtig, dass ich die Bilder selbst konstruiere und bestimme, wie sie gezeigt werden, sonst wäre sie nicht mehr meine Arbeit. Mir ist es sehr wichtig, authentisch in der Arbeit zu sein.

H: Mit der Entwicklung der Technik und der Änderung des Verwendungszweckes ist es heute schwierig zu definieren, was ein fotografisches Objekt ist. Die Varianten der Fotografie erfordern auch, dass wir ein fotografisches Werk nicht nur in Bezug auf das verstehen, was in einem Bild enthalten ist. Sie bietet dem Künstler auch einen völlig anderen Weg, der nicht nur in der Produktion von fotografischen Inhalten besteht. Worin besteht für dich der Unterschied zwischen einer fotografischen Installation und 
einem fotografischen Bild?

A: Ich nehme Bilder oft nicht statisch wahr, da ich meistens am Display arbeite, durch das immer die Elektronik »fließt«. Auf jedem Display sieht ein Bild etwas anders aus, wenn ich das Display reproduziere, habe ich wieder ein neues Original usw. Für mich »fließen« Bilder oder sind oft gerade »auf dem Sprung«. Auch wichtig ist der räumliche Abstand zum Bild. Geräte berechnen jedes Foto neu und skalieren die Pixel. Der Bildeindruck von ein und demselben Bild kann sich stark verändern – je nachdem wie es berechnet wird. Somit sind die Installation und das Bild eng miteinander verknüpft, um dieses Verhältnis digitaler Bilder zu ihren Geräten die sie anzeigen darzustellen.

Hao Wen studiert an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Practice.

On Display: Clara Mühle über Damian Rosellens »Research Based«

Damian Rosellen: Research Based, 2022. Ausstellungsansicht im Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Vom Rangeln, Preisgeben und Imaginieren
Von Clara Mühle

Rückblicke in die Fotogeschichte zeigen, dass fotografische Objekthaftigkeit und die mediale Verkörperung von Bildern vielfältig sein können. Eine Daguerreotypie – die eingeschlossen in einem Kästchen als eine Art Talisman wahrhaftig als Objekt diente – Alben, Leuchtkästen oder Abzüge: Sie alle leihen fotografischen Bildern ihre haptischen, dreidimensionalen Körper. Fotografien zu greifen und als Objekt erfahrbar zu machen, erwies sich als deutlich einfacher, als das Medium noch auf seine analogen Schöpfungsweisen beschränkt war. Doch mit der Digitalisierung und, damit verbunden, der Dematerialisierung verschob sich die Erfahrung fotografischer Körper.

Damian Rosellens Arbeit »Research Based« nimmt sich diesem Umstand auf eine vielschichtige Weise an und umkreist Themen wie gemeinschaftliche Seherfahrungen und Sinnbildungsprozesse rund um die Fotografie. Das simultane Zeigen seiner Arbeit als Fotobuch – einem der durchaus klassischen fotografischen Objekte – und einer digitalen Version, die als Feed potenziell von unendlich vielen Betrachter:innen gleichzeitig angeschaut, aber dennoch nur gleichgeschaltet gesteuert werden kann, wirft vielschichtige Fragestellungen auf. Dabei kann die Wirkung des technischen Manövers sehr unterschiedlich sein. Während der einen Betrachter:in womöglich gar nicht auffällt, dass das digitale Fotobuch potenziell von mehreren Akteur:innen gleichzeitig betrachtet und auch gesteuert werden kann, muss eine andere vielleicht nur wenige Minuten später um Geschwindigkeiten und Verweildauern rangeln, und damit teilweise sogar etwas sehr Intimes preisgeben – die eigene Art zu betrachten.

In einer Zeit, in der wir es gewohnt sind, dass fotografische Bilder über Streams und Feeds verbreitet werden und sich in unendlichen Varianten zu individuellen Seherfahrungen zusammenschließen, die aus einem Zusammenspiel von algorithmischen Berechnungen, User:innenverhalten und monetären Verwertungslogiken gesteuert werden, bedeutet die zentrale Bedienung des Bilder-Feeds eine Art Rückbesinnung. Trotz seiner immateriellen Struktur wird der Feed als fotografisches Objekt greifbar und die imaginierte Anwesenheit der anderen präsent. Die vermeintlich individuelle Erfahrung weicht einer nun gemeinschaftlichen. Ähnlich wie es der Politikwissenschaftler Benedict Anderson in seinem berühmten Buch »Die Erfindung der Nation« schon am Beispiel des Buchdrucks und des daraus resultierenden Zeitungslesens deutlich gemacht hat, kann das Wissen um eine gleichzeitig wahrnehmende und erfahrende Gemeinschaft mächtig sein.

Doch nicht nur das individuelle und kollektive Betrachten wird in »Research Based« auf den Prüfstand gestellt. Gleich der Tradition des Fotosharings – dem Teilen und Verteilen von Knipsereien und Erinnerungsfotos als Habitus eines meist privaten Kontexts – aus der sich das Teilen fotografischer Bilder im digitalen Raum ableitete, werden in der Arbeit Kategorien überwunden, die vormals als wichtig erschienen. Durch die Bildauswahl verlieren Unterscheidungen wie etwa zwischen Profi und Amateur oder digitalem und analogem Foto an Gewicht und treten hinter dem kuratierten Feed und der Seherfahrung zurück. Der Mix aus schnappschusshaften, stark referenziellen und kontextarmen Fotografien führt uns gleichzeitig das eigene Sehen und die Suche nach Sinn vor Augen. Wir versuchen zu ergründen – und sind damit niemals allein.

Clara Mühle studiert seit 2020 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

On Display: Max Beck über Marie Laforges »Stadtlichter«

Marie Laforge: Stadtlichter, 2022. Installationsansicht aus dem Kunstmuseum Ahlen. Fotografie: Samuel Solazzo.

»On Display. Die Körper der Fotografie« heißt eine Ausstellung von Studierenden der Folkwang Universität der Künste, die vom 6. Februar bis zum 29. Mai 2022 im Kunstmuseum Ahlen zu sehen ist. Zu den dort ausgestellten achtzehn Werken treten achtzehn Texte, die gleichfalls von Studierenden der Folkwang Universität der Künste geschrieben worden sind. Im Frühjahr 2022 werden Bilder wie Texte in einem Katalog erscheinen, herausgegeben von Elke Seeger und Steffen Siegel, die gemeinsam mit Martina Padberg vom Kunstmuseum Ahlen das Projekt »On Display« geleitet haben.


Befreite Farben
Zu Marie Laforges »Stadtlichter« (2022)
Von Max Beck

Wie eine Schneise durchzieht die Kalker Hauptstraße die anliegenden Wohngebiete. Hier befindet sich eine solche Fülle an Geschäften, dass man ihrem Sog kaum entkommen kann. Nicht selten stellt sie mich auf eine harte Probe in Geduld und Empathie, verlangt stetige Verbesserung im Ausweichen und Überholen und bewirkt durch die Überflutung an Reizen eine enorme Erschöpfung, wenn ich endlich in meiner Wohnung angekommen bin. Auch ich sehe die vielen farbigen Lichter, die als Ladenschild, Reklame, Ampel oder Dekoration die Straße bunt erhellen. Aber stehen zu bleiben und deren sinnliche Qualitäten zu beobachten, ähnelt der Vorstellung, auf der Autobahn rechts heran zu fahren, um die Bäume am Straßenrand näher zu betrachten.

Marie Laforge hat das für ihre Arbeit »Stadtlichter« getan. Sie spazierte bei Dunkelheit mit einer Lochkamera ausgestattet auf der Kalker Hauptstraße und nahm aus kurzer Distanz verschiedene Lichtquellen auf. Die belichteten Dia-Positive sind als Tableau angeordnet und jeweils von hinten beleuchtet. In jedem Einzelbild ist ein leuchtender Punkt in der Mitte des Rechteckes zu sehen, der sich mit weicher Kante in der schwarzen Umgebung auflöst. Die ruhige Erscheinung dieser streng geordneten, sanft farbig leuchtenden Punkte steht in einem deutlichen Kontrast zu ihrem hektischen und rauen Ursprungsort. Rein formal betrachtet, veranlasst das Tableau zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen sinnlichen Wahrnehmung von Licht und Farbe, und der Beobachtung, wie diese auf uns wirkt.

Dass fotografische Technik angewendet wurde, um die Bilder zu erzeugen, öffnet jedoch viel erweiterte Interpretationsräume. Auf pointierte Weise wird dabei gezeigt, wie verflochten die Beziehung von Fotografie und Konzeption ist. Nur durch den Hinweis im Begleittext ist es möglich, sich die Handlungen und Vorgänge vorzustellen, die den Bildern vorausgesetzt sind. Der Leuchtpunkt erfährt eine Umdeutung zu einem indexikalischen Zeichen und steht damit unweigerlich in einer Beziehung zu der Realität seines Referenten. Die Erfahrung vor dem Tableau steht also der Vorstellung von Erfahrungen auf großstädtischen Einkaufsstraßen bei Dunkelheit gegenüber.

Die Symbolik von beleuchteten Dingen im Stadtraum ist vielfältig. Ladenbeschriftungen leuchten, um mich anzuziehen, Ampeln, um mich zu lenken, Autos, um mich zu warnen. Das Entziffern dieser symbolischen Botschaften nimmt so viel geistigen Raum in Anspruch, dass eine losgelöste Betrachtung der Farben kaum möglich ist. Die leuchtenden Farbkreise, die wie entlastet von jeglicher Symbolik erscheinen, ermöglichen mir eine Auseinandersetzung mit einer vorgestellten Wahrnehmung, die sich zwar unterscheidet von dem Realitätsempfinden des Alltags, aber dennoch in diesem enthalten ist. Durch die reduzierte Nutzung von essentiellen fotografischen Praktiken – dem Herauslösen und Verweisen – werden die Qualitäten des Mediums akzentuiert und gleichzeitig eine erweiterte Wahrnehmung einer konkreten Situation angeboten: das hastige Durchschlängeln auf der Kalker Hauptstraße, um ein paar Baklava bei Nimet zu kaufen.

Max Beck studiert seit 2020 an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research

Stopover 20/21: Lea Bräuer und Paul Werling

Lea Bräuer: Der fragile Raum, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Paul Werling an Lea Bräuers Serie »Der fragile Raum«.

 

Das Jahr 2020 kann auf vielerlei Art und Weise beschrieben werden, eines ist es jedoch unbestritten: das Jahr des Digitalen. In unsere physische Privatheit gedrängt nahm die digitale Vermittlung von Information mehr Raum denn je ein. Zurückgeworfen auf uns selbst sahen wir uns genötigt Umgang zu finden mit existentieller Bedrohung und dem Aufbegehren schwelender politischer Konflikte. Und da seid ihr, fotografische Produkte aus eben dieser vollends digitalen Zeit, die ihr euch jedweder Digitalität verweigert. Ihr seid Fragment einer individuellen Auseinandersetzung mit den Krisen der Welt. Obgleich oder gerade weil ihr euch so vielem verwehrt, was den letzten Monaten maßgeblich war, seid ihr ein so wichtiger Bestandteil dieser Zeit. Die Zartheit eurer Stillleben bedeutet Opposition zur allgegenwärtigen Unruhe. Übersetzt in die Installation trägt sich dieser Kontrast in Form eines wabernden Synthesizer Noise Arrangements fort. Diesem zermürbenden Krach ausgesetzt finde ich Zuflucht in der Schönheit eures Innenraums.

Die Krisenhaftigkeit der letzten Monate wird noch lange nachhallen. Digital in unsere privaten Räume vermittelt wurden sie zu Orten, an denen sich räumliche Trennung zwischen verschiedenen Lebensaspekten auflöste und sich die Information der Welt komprimierte. Ihr als künstlerische Arbeit seid Teil eines Prozesses der temporären Entsagung, um mit der inneren Unruhe umzugehen. Abgewandt von der digitalen Information zeigt ihr die Zerbrechlichkeit einer individuellen Lebenswelt. Doch euch als Weltflucht hin zur reinen Ästhetik zu verstehen, wäre unrecht. Eure zeitweise Verweigerung neuer Information ist vielmehr Ausdruck der Auseinandersetzung mit bestehender. Die Zartheit eurer Erscheinung und die Zerbrechlichkeit des Raumes stehen im Kontrast der unbändigen Gewalt der Welt. In diesem Kontrast bezeugt ihr eine Selbstfindung, die die Vereinbarung der Pole in der Fragilität des künstlerischen Prozesses findet. 

Stopover 20/21: Elena Kruglova und Özlem Arslan

Elena Kruglova: rocket sience, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Özlem Arslan an Elena Kruglovas Serie »rocket sience«.

 

Space Mission

Without knowing what awaits me, I come forward and behold what you have to offer me. At first sight, everything seems familiar; flowers wrapped in plastic, a car, and glasses. However, I cannot help but feel that there is something else that lays behind the objects my eyes reflect upon in you. You are photographs dealing with objects one encounters in everyday life. Nevertheless, there is something unconventional about those objects. The longer I look at you, the more I feel myself detaching from the physical world. Slowly but yet firmly, you lure me into another place. I can neither escape nor can I stop you. So, I let go and just let myself get carried away by you.

Like an astronaut hovering weightlessly in space, I am being drawn deeper and deeper by you till I reach a place in which everything I knew is different. As if they were erased the moment you were captured. While I am floating freely in space like an environment you have pulled me in, I am starting to search and to explore my surrounding. Some of what I find excites me and some of it scares me. I discover colors, reflections, and functions I have not seen or suspected before. You let me enter into a world where suddenly the known becomes unknown. What do I do with these new discoveries?

Abruptly, I find myself in a position comparable to the one of a scientist, trying to find logic in the chaos I am lost in. You make me doubt and you make me question. Then, eventually, you let me find meaning in my space discoveries and let me gain new insights. You offer me a new perspective. A perspective different from everything I have seen before.  

I find myself rediscovering the meaning of the known and the unknown. I come to realize that there is a fine line that stands between them which I had not or rather refused to recognize before. I witness the experience of sudden change which can be shocking on the one hand but intriguing on the other. I become aware of the dilemma of acceptance and the difficulty of adjustment. All of these insights only through the space mission I was taken to by you, the unconventional photographs of what I used to believe to be the familiar.

Shunk-Kender. Kunst durch die Kamera

»Shunk-Kender. Kunst durch die Kamera«, Ausstellungsansicht. Foto: Alexandra Ivanciu, © GfZK.

Besprochen von Annekathrin Müller

Ist Fotografie von Kunst auch Kunst? Dieses Thema steht im Zentrum der aktuellen Ausstellung im Neubau der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Sie zeigt die Arbeiten des Künstlerduos Harry Shunk (1924–2006) und János Kender (1937–2009). Die minimalistische Präsentation korrespondiert mit der nüchternen Architektur des Ausstellungsraums und besteht hauptsächlich aus großen metallischen Schaukästen. Darin sind Abzüge analoger Schwarzweißfotografien montiert, deren Format an Arbeitsprints erinnert, auch einige Kontaktbögen befinden sich darunter. Das kuratorische Konzept zielt offenbar darauf ab, das Material frei von auratischer Aufladung erfahrbar zu machen. Das ist konsequent, fertigten Shunk-Kender ihre Arbeiten doch überwiegend zu Dokumentationszwecken an.

Die beiden Fotografen produzierten Bildmaterial für Galerien, Verlage und Presse sowie auch direkt im Auftrag der Künstler*innen. Dabei gewähren sie Einblicke in eine aufregende Phase der Kunst, die mit spektakulären Aktionen die Grenzen des eigenen Selbstverständnisses zu sprengen versuchte. Die Aufnahmen in der Ausstellung stammen aus den 1950er bis 1970er Jahren und sind überwiegend in den großen Kunstzentren Paris und New York entstanden. Zu den Abgebildeten zählen so prominente und erfolgreiche Künstler*innen wie Andy Warhol, Yves Klein, Robert Rauschenberg, Niki de Saint Phalle oder Christo. Sie werden bei der Arbeit an ihren Werken, bei Happenings oder auf Ausstellungseröffnungen gezeigt, häufig aber auch ganz privat in ihrem persönlichen Umfeld. Es ist den Porträts durchaus anzumerken, dass Shunk-Kender selbst Teil dieser Szene waren. Mit vielen der Fotografierten waren sie gut bekannt und begleiteten sie zum Teil sehr lange.

Die Arbeiten von Shunk-Kender sind jedoch auch als eigenständige künstlerische Bildwerke interessant, denn das Duo verstand es, fotografische Qualitäten – das Erfassen von Stofflichkeit, Mimik und Gestik oder das Spiel mit Licht und Schatten – gekonnt zum Einsatz zu bringen. Nach der Schenkung eines Teilkonvolutes an das Pariser Centre Pompidou im Jahr 2014 hingen die Bilder dort zunächst als Beiwerk in den Seitengängen der Ausstellungssäle, um über Leben und Wirken der »Nouveaux Réalistes« zu berichten, erzählte Florian Ebner, Leiter der Abteilung Fotografie am Centre Pompidou, als er durch die Leipziger Ausstellung führte. Die hier besprochene Präsentation gibt nun aber Gelegenheit, gezielt über Ästhetik, Wert und Aussagekraft des Bilderschatzes nachzudenken. Ein umfangreicher Katalog des Centre Pompidou, der im Zuge der Ausstellungsvorbereitung entstanden ist, bietet hierfür ebenfalls Anknüpfungsmöglichkeiten.

Durch die Neukontextualisierung des Materials wird auch auf die vielfältigen Gebrauchsweisen von Fotografie hingewiesen. In diesem Zusammenhang kann zum Beispiel kritisch hinterfragt werden, welcher Status der zweckgebundenen Auftragsfotografie zugesprochen wird, wie mit der Rolle von Fotografie als Dokumentationsmedium umzugehen ist und was hiervon ins Museum kommt. Die Diskurse dazu sind angestoßen, die Neuaufwertung von Archivmaterialien und die Wiederentdeckung vergessener Konvolute haben eingesetzt. Neben der posthumen Würdigung Harry Shunks und János Kenders ist es insbesondere dieser Aspekt, der die Ausstellung zu einem wichtigen Beitrag macht.

Die Ausstellung wurde vom Centre Pompidou Paris konzipiert sowie produziert und ist noch bis zum 6. Juni 2021 in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig zu sehen. Kuratorinnen sind Chloé Goualc’h, Julie Jones und Stéphanie Rivoire, für die Präsentation in Leipzig ist Franciska Zólyom verantwortlich.

Annekathrin Müller ist seit 2020 Studentin im M.A. Photography Studies and Research.

Stopover 20/21: Rosa Lisa Rosenberg und Jakob Schnetz

Rosa Lisa Rosenberg: Half Asleep Not Far from Fading, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Jakob Schnetz an Rosa Lisa Rosenbergs Serie »Half Asleep Not Far from Fading«.

 

Gravitation ohne Masse

Bevor ich darum weiß, finde ich mich an einem Ort wieder, den ich bereits zu einem unbekannten Zeitpunkt kartographiert und typisiert habe. Da ist diese Reifenschaukel, ein metallisch lautloses Pendel. Ich wende den Kopf zur Seite: textiles Flimmern, Handtücher.

In euch treffe ich quasi-autarke Bewegungen an, selbstgenügsam und scheinbar enthoben von Ursächlichkeit. Allein mit einem fragilen Indiz auf poröser Spur hilft mir nur meine Spekulation. Das Triviale, womöglich Beliebige und vielleicht auch Wehmütige in der Assoziation weicht schnell einem hoffnungslosen Begehren: Gäbe es eine Gegenleistung für meine Aufmerksamkeit, die euch vermutlich ohnehin gleichgültig ist, löst ihr sie nicht mit Kausalität ein.

Es drängt mich, den Kopf zu heben, den weiteren Raum zu erfassen, welcher, so glaube ich, einmal um euch herum existierte, doch wie von einer eigenartigen Trägheit erschlichen bleibt das Sehfeld gesenkt und starr. Ich spüre Gravitation, mit dem so seltsam unbeteiligten Blick; gedämpft, wie Geräusche eines lebendigen Alltags, die man als Fiebernder durch das halb geöffnete Fenster wahrnimmt.

Eine Vorahnung sickert aus euch, eine hypnotische Schwere, die sich, wenn auch nicht ganz unbehaglich, um mich legt wie ein sperriger Mantel. Meine Erinnerungen verspinnen sich mit euren; doch eure sind erzwungen und vieldeutig, meine schwer zu ergründen. Wenn ich erwache, begleitet ihr mich noch, für einen kurzen Moment?

Stopover 20/21: Julia Tillmann und Laura Niederhoff

Julia Tillmann: Warum Wolken nicht vom Himmel fallen, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Laura Niederhoff an Julia Tillmanns Serie »Warum Wolken nicht vom Himmel fallen«.

 

Über den Verlust (1)

ZEIT

Ihr seid Fotografien, die von Verlust handeln. Davon, wie es ist, gehen zu müssen. Eure Ansichten in Schwarz-Weiß zeigen Momente des Flüchtigen, die sich in scheinbar Unscheinbarem vermitteln. Was bleibt nach dem Ende? Ein Knäuel Haare aus dem Abfluss einer Badewanne. Der zerbrochene Rahmen eines Stilllebens.

RAUM

Landschaften sind äußere Räume, die umschlagen können in Bewusstseinsräume. In Augenblicken von Traurigkeit ist es gerade die Schönheit des leeren Raumes, der die ehemals fest umrissenen Grenzen eines vergänglichen Ichs zu transzendieren vermag. Das bedeutet nicht, dass der Raum tatsächlich leer ist. Vielmehr ist er Spiegel des Ephemeren, was sich in der Oberflächentiefe von Gewässer, in der Konturlosigkeit des Himmels offenbart. Es sind solche Momente, in denen Gewissheiten von Raum und Zeit infrage gestellt werden.

ICH

Du weißt: Blau ist die Farbe der Sehnsucht. Blau steht für Konzepte der Ferne und Freiheit. In der Metaphysik der Romantik bezeichnete die blaue Blume die Suche nach der Erkenntnis des Selbst, aber auch den Versuch, das Unbegreifliche des menschlichen Lebens dingfest zu machen. Dingfestigkeit aber ist in den Zyanotypien, die du betrachtest, nicht zu ermitteln. Unfassbares schon. Auf den ehemals lichtempfindlichen Papieren machst du die Umrisse geisterhafter Gestalten aus, Schatten gleich, die sich im Moment ihrer Belichtung bereits wieder aufzulösen scheinen. Du stellst dir vor, dass die Zyanotypien im gleißenden Licht des Sommers entstanden sind – eines unwirklichen Sommers, der im kalkulierten Kontrollverlust der Chemigramme eingeschrieben ist.

POESIE DER FOTOGRAFIE

Was haben Lyrik und Fotografie gemeinsam? Kann es fotografische Gedichte geben? Du sagst ja. Denn Lyrik ist bildhafte Sprache. Die Fotografie wiederum nutzt den Effekt scheinbarer Realitätstreue, um Wirklichkeit zu schaffen und Beziehungen zu stiften. (2) Motive der Lyrik, die als Repräsentation von Zuständen in der Fotografie transportiert werden, bilden eine hybride Erzählstruktur, deren disparate Zeitlichkeiten Elemente einer vielschichtigen, expressiven Realität darstellen. Einer Realität, die stets von Neuem geschaffen und die immer wieder ergründet werden muss.

 

(1) Inspiriert von Marion Poschmann: Die Kunst der Überschreitung. In: dies.: Mondbetrachtung in mondloser Nacht, Berlin 2016, S. 135ff.
(2) Heinz Schmidt: Wie Bilder sprechen. In: ders.: Theologie und Ethik in Lernprozessen, Stuttgart 2003, S. 159ff.

Stopover 20/21: Samuel Solazzo und Isabelle Castera

Samuel Solazzo: Future Remnants of What Has Been, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Isabelle Castera an Samuel Solazzos Serie »Future Remnants of What Has Been«.

 

Aus einer letzten Datenbank der Natur

(Ein autopoietisches System erzählt…)

 

Auf der Suche nach den Resten des Sichtbaren
vergewissern wir uns über die Spuren der Zeit,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.(1)

Die Gesteinsschichten murmeln in Zwischentönen,(2)
raue Oberflächen absorbieren ein Echo im Raum,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

Wuchernde Fotosynthesen aus Reproduktionen
überlagern sich zu neuen Sinnzusammenhängen,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

Poröse Erinnerungen an eine materielle Welt,
gesammelt in einer letzten Datenbank der Natur,(3)
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

Unablässig füllen wir Lücken mit Informationen,
gießen Inhalte in die Gefäße der Gedächtnisse,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

An Bruchstellen im Asphalt öffnen sich die Poren,
ein Riss zieht die Grenzen unserer Vorstellbarkeit,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

Wir sind die Entscheidung für eine Möglichkeit,
Ahnungen gehalten in einem Schwebezustand,
bevor alles um uns herum verschwunden ist.

 

(1) In Anlehnung an: Jean Baudrillard: Warum ist nicht alles verschwunden?, Berlin 2018.
(2) Inspiriert von: Michel Foucault: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main 1997, S. 43.
(3) Oliver Wendell Holmes: Das Stereoskop und der Stereograph. In: Wolfgang Kemp (Hg.): Theorie der Fotografie, Band 1, München 2006, S. 120.

Stopover 20/21: Silviu Guiman und Judith Böttger

Silviu Guiman: We Move Mountains, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Judith Böttger an Silviu Guimans Serie »We Move Mountains«.

 

Ihr seid wie das Gold

Ihr macht mir ein Angebot. Das Angebot, über eine Möglichkeit nachzudenken oder über eine  ganz andere. In der Möglichkeit, die sich mir eröffnet, seid ihr wie das Gold, das ihr zu zeigen behauptet.

Einige von euch lassen mich ein Stück Welt erkennen, ich kann euch verorten. Dann werde ich plötzlich wieder abgestoßen, mir fehlt die Referenz. Die physische Welt entzieht sich mir und entlässt mich in die Welt meiner Gedanken, in der ich euch eine mögliche Bedeutung zuschreibe. Denn eure Bedeutung, euer Wert ergibt sich erst in meiner Betrachtung, wenn ich euch mir aneigne. Ohne meinen Blick seid ihr nichts. Ihr seid wie das Gold.

Was ihr bedeutet, liegt nicht in euch. Euer Wert wird euch auferlegt. So sicher ihr euch meiner Bewunderung heute sein könnt, so ungewiss ist mein Beifall morgen. Denn ich werde mehr sehen, anderes sehen, vielleicht Besseres. Und dann verschiebt sich, was ihr seid und jemals sein könnt. Ihr seid wie das Gold.

Ich sehe keine Menschen, doch letztlich seid ihr von Menschen gemacht, für Menschen gemacht. Ich kann euch fragen, was ihr wollt. Doch eigentlich fragt ihr mich, was ich will. Es geht um mich. Ich bediene mich eurer und ihr bedient euch der Welt, um mir zu geben, was ich von euch erhoffe. Natur wird ausgebeutet, um den Durst des menschlichen Blicks zu stillen. Ihr seid wie das Gold.

Ich suche ein Stück Wahrheit in euch, eingebettet in kalten Stein. Ich muss sie freilegen, begegne auf dem Weg Behauptungen des Seins und Motiven, die sich meiner Erkenntnis verweigern. Was ich am Ende finden will, muss sich absetzen von all dem Staub, den ich beiseiteschiebe, muss die Arbeit wert sein. Ihr seid wie das Gold.

Stopover 20/21: Rebecca Racine Ramershoven und Jakob Schnetz

Rebecca Racine Ramershoven: How much time do you want?, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Jakob Schnetz an Rebecca Racine Ramershovens Serie »How much time do you want?«.

 

Das tastende Auge

Mit der Gewissheit des unangreifbaren Betrachters trete ich vor euch, die bewegten visuellen Parzellen.

Wo beginne ich zu sehen? Oder habe ich mich bereits entschieden, angezogen von der Eindeutigkeit der Gewalt der Schläge, die mich erhaben machen; ist es die aufreizende, geschmeidige, so bestimmte Bewegung des Fingers, die mich affiziert, das naive Grinsen, das zum Belächeln einlädt? Ohne die meisten der Filme in Gänze gesehen zu haben, kenne ich euch, die entnommenen Bilder; ich kenne diese Gesten, die Mimik, die Motive, zumindest glaube ich das. Noch fühle ich mich sicher, denn ihr seid nur Bilder, flüchtiger Code, eine Abfolge dezidierter mathematischer Befehle.

Ihr scheint Sinnlichkeit zu begehren, eine nuancierte Palette an Taktilität, und in eurem körperlosen Dasein macht ihr den Körper doppelt zum Thema. Diese Aufladung des Sinnlichen scheint durch eine digitale Körperlosigkeit noch verstärkt. Sichtbar ist die Haut, Schwarze Haut. An sie geknüpfte Gesten verheißen hier ungebremstes Gieren, kraftvolle Erotik, nahezu sadistische, affektierte Gewalt, übertrieben kindliche Komik, unterwürfiges Glück: eine Ansammlung widersprüchlicher Projektionen, die zugleich Angst und Anziehung erzeugt und sie in der vermeintlichen Evidenz von Haut fixiert (siehe Fanon, Frantz: Die erlebte Erfahrung eines Schwarzen. In: Dorothee Kimmich, Stephanie Lovarno, Franziska Bergmann (Hg.): Was ist Rassismus? Kritische Texte, Stuttgart 2016, S.129–144, hier S.136).

Wirkmächtige Stereotype, in Endlos. Die sichtbaren, körperlosen Körper sind des Menschlichen beraubt. Gefangen in der Wiederholung, lässt mich eure Endlosigkeit stocken, ich halte es kaum mehr aus. Noch bin ich voller Hoffnung, dass sich etwas ändert.

Das tut es nicht: Ich bin nervös. Ihr seid es auch.

Auch eure Sprachlosigkeit gibt mir keinen Halt, keine Ablenkung. Diese eure Stummheit wird nur von jenem eigentümlichen Knistern überlagert, das mich desorientiert. Aus rauschender Stille sprechen mich plötzlich die Stimmen von James Baldwin, Miriam Makeba, Audré Lorde und Toni Morrison direkt an, mich als Weißen - und lassen mich befremdet und zweifelnd zurück.

Kurz spüre ich eine unmittelbare Abwehrhaltung gegen Didaktik im Künstlerischen. Doch ist sie hier nicht eine Strategie der Verweigerung, die vor allem zeigt, wie sehr sie trifft? Steckt hinter der Didaktik nicht eine tiefe Müdigkeit und Wut, die mich angeht, eine schmerzvolle Leerstelle in mir?

Stopover 20/21: Xiaole Ju und Laura Niederhoff

Xiaole Ju: UTC +2 & 1 Essen NRW, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Laura Niederhoff an Xiaole Jus Serie »UTC +2 & 1 Essen NRW«.

 

Hallo,
kennen wir uns? Haben wir uns nicht schon mal getroffen? Dort drüben am Hauptbahnhof bin ich jedenfalls oft umgestiegen auf meinem Weg von Rüttenscheid nach Zollverein. Da müssen wir uns über den Weg gelaufen sein. Ja, genau da! Essen, das führst du mir wieder vor Augen, war erst Liebe auf den zweiten Blick. Daran erinnere ich mich noch genau: Graue Straßen. Grauer Himmel. Aber dann: das UNESCO-Welterbe Zeche Zollverein, wo das Quartier Nord der Folkwang Universität liegt. Oder die Rüttenscheider Straße, genannt Rü, mit ihren vielen Cafés, Bars und Imbissständen. In der Nähe das Folkwang Museum, die Philharmonie, das Aalto-Theater. Weiter im Süden noch liegen der Baldeneysee und die berühmte Villa Hügel. Aber ja, ich weiß! Das ist nicht das, was du mich sehen lassen willst. Du lenkst meinen Blick weg von den Klischees, weg von der Industrieromantik hin zum Alltag dieser Stadt. Auf die Bahnhöfe, die rot-weißen Straßenschilder und die unzähligen Kreisverkehre, die typisch sind für Essen. Und für deutsche Städte im Allgemeinen. Apropros Bahnhöfe: War es nicht Marc Augé, der in seinem Buch »Nicht-Orte« auf die flüchtige Raumkonstitution der Übermoderne verwies? »Paradoxon des Nicht-Ortes: Der Fremde, der sich in einem Land verirrt, das er nicht kennt (der ›durchreisende‹ Fremde), findet sich dort ausschließlich in der Anonymität der Autobahnen, Tankstellen, Einkaufszentren und Hotelketten wieder.« Manchmal habe ich mich verlaufen in der Stadt. Ich habe gehofft, dass sich unsere Wege kreuzen. Dann hätte ich dich angesprochen: Hallo, kennen wir uns?
Ortlose Grüße
Laura Niederhoff

Stopover 20/21: Florian Fäth und Paul Werling

Florian Fäth: Einheitsbrei, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Paul Werling an Florian Fäths Serie »Einheitsbrei«.

 

Mein Blick schweift durch die Innenstadt. Gleichheit und Austauschbarkeit der Fassaden füllen mein Blickfeld. Es ist eine konsumoptimierte Umwelt voller Fremdheit, Individualität kaum mehr als ein grelles Kaufversprechen ökonomischer Giganten. Ob ihr als fotografisches Kollektiv eine oder mehrere Städte abbildet, kann ich nur aufgrund eures Titels mit Sicherheit sagen. Ihr verschwimmt zu einem Wimmelbild kultureller Uniformität, das individuelle Referenz unbedeutend erscheinen lässt. Aber ist diese Uniformität letztlich nicht nur eine nachträglich konstruierte? Hebe ich meinen Blick über die Fassade des Erdgeschosses, so erkenne ich, wie viele der ursprünglichen Architekturen mit Scheinfassaden überzogen wurden. Die architektonische Einheit ist eine des Untergeschosses. Eure fotografische Verdichtung bestärkt diesen Eindruck. In dieser seriellen Punktierung führt ihr uns die kapitalistisch motivierte Einebnung ortsspezifischer Charakteristika deutlich vor Augen. Kann dies Sinnbild einer gelungenen Wiedervereinigung sein?

30 Jahre sind nun vergangen seit dem Tag der deutschen Wiedervereinigung. Die großen Reden von Einigkeit, Annäherung und Ebenbürtigkeit klingen bis heute nach. Bilder euphorischer Menschenmassen an der gefallenen Mauer und Festivitäten auf den Straßen der damals frisch geeinten Republik haben sich in unser kollektives Bildgedächtnis eingeschrieben. Heute müssen sie sich an einer Realität messen, die noch immer an den einstigen Versprechen hadert. Nach wie vor erinnern Unterschiede in Wohlstand, Ansehen, Sichtbarkeit und Repräsentation an die einstige Trennung. Doch dokumentiert ihr nicht Gegenteiliges? Ihr vermittelt ein Bild deutscher Innenstädte, die sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit nicht verorten lasen. Ob ich eine Ladenfront aus Halle oder Darmstadt betrachte, vermag ich nicht zu sagen. Insofern sehen wir Bilder von Urbanität eines zumindest kapitalistisch vereinheitlichten Deutschlands. Eure Dokumentation dieser Angleichung entbehrt jedoch nicht der Kritik selbiger.

Die Wiedervereinigung war die Annäherung zweier ungleicher Staaten. Notwendigerweise war der Prozess geprägt von Entsagung und Kompromiss, doch als ebenbürtig kann diese Annäherung nur bedingt gelesen werden. In erster Linie waren es die neuen Bundesländer, die dem Alten entsagten und sich einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung unterordneten. In der Folge wurde ostdeutsche Kultur zusehends aberkannt und verwestlicht, die Wirtschaft in westdeutsche Hände privatisiert und die neue deutsche Einheit kompromisslos kapitalistisch geprägt. Ostdeutsche Marken verschwanden von der Bildfläche, der Einzelhandel wurde von Handelsketten überrollt und es dauerte nur wenige Jahre, bis die Innenstädte der kulturellen Uniformität angepasst waren. Der Kapitalismus ist in seiner Natur ein Prozess der Einverleibung, die Wiedervereinigung seine Bühne, eure Existenz die kritische Beglaubigung dessen.  

Stopover 20/21: Anne-Christine Stroje und Özlem Arslan

Anne-Christine Stroje: Der Geruch von Sommerregen, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Özlem Arslan an Anne-Christine Strojes Serie »Der Geruch von Sommerregen«.

 

Where and Who

Where are you from? – A question one is being often asked when meeting someone new. Actually, it is not the origin one is being asked to reveal by this question, but rather one’s identity. So, the conversation deepens, one question leads to another, and time flies without realizing it. Such conversations can set different emotions and feelings, such as unity, familiarity, and even magic.

Today, I met you and experienced all of that. You are photographs depicting nature and man-made, day and night, past and present, and most importantly, colors. Latter attracted my attention the most. I recognize the color blue, different kinds of greens, orange, and many others. The sky, the trees, the plants, the grass, the sand all reveal their true colors to me. Their honesty allows me to feel and to imagine their smell. I imagine myself being there, reliving what I believe to see.

Though, there is one color carrying itself through nearly all of you which reveals much more than any other color to me: the color blue. Blue is the color of the sky and the ocean. The color associated with stability, serenity, and wisdom. Through this color, I get to know the people returning my gaze in some of you. I find out about the value of man-made. Just like the glasses depicted in one of you. They are fragile, but yet present and significant. 

In between all of your colorfulness, there is also a part of you whose colors have faded. Looking at this part of you, in which you let the objects come forward, you unveil a glance at the past, to me. The past is a distant memory. It leaves traces within and is formative. It lets me feel nostalgic and takes me to a state of thoughtfulness.

You reveal a world to me. A world shaped by memories, people, and realities. You let me explore the roots, discover an essence and touch a soul. You give a new meaning to the expressions ›where‹ and ›who‹. So, there is nothing left to say for me other than I am pleased to meet each and every one of you!

Stopover 20/21: Amy Haghebaert und Isabelle Castera

Amy Haghebaert: They will be seen drifting above the clouds, all our blameless, childish hopes, 2020.

»Stopover« – einmal jährlich stellen unter diesem programmatischen Titel die Studierenden im M.A. Photography Studies and Practice ihre aktuellen Arbeiten im UG des Museum Folkwang aus. In Form eines Zwischenstops sollen Einblicke gewährt und soll zu einer Diskussion eingeladen werden. Im Katalog finden sich neben den fotografischen Werken auch kurze Texte, die direkt an die Bilder adressiert sind. Verfasst wurden sie von den Studierenden des M.A. Photography Studies and Research. Hier schreibt Isabelle Castera an Amy Haghebaerts Serie »They will be seen drifting above the clouds, all our blameless, childish hopes«.

 

Im freien Fall

Ich vernehme den Wind, atme die würzige Waldluft kurz nach dem Regen ein und höre einige Vögel am Himmel an uns vorbeiziehen. Der Blick auf den Horizont lässt mich über die Möglichkeiten unseres Daseins nachdenken. Du hast mir einmal von Magrittes Pfeife erzählt, ich glaube, ich kann dich nun besser verstehen. Ich erkenne, dass unser Leben eine Kippfigur ist. Wir verlieren den Halt. Die Wirklichkeit spaltet sich unter uns auf und wir stürzen in die dort aufklaffenden Risse hinab. Im freien Fall ziehen die Erinnerungen an uns vorüber (Søren Kierkegaard: Der Begriff der AngstStuttgart 1992, S. 72). Hier sind wir, eingeklammert zwischen der inneren Unbeweglichkeit und dem Wunsch nach Veränderung. Wird sich das Blatt noch einmal wenden oder verraten wir uns, wenn wir dabei sind, den Sinn in eine andere Richtung umzukehren? (Siehe Michel Foucault: Dies ist keine Pfeife, München 1974.) Mir ist, als würden wir selbst in feine Partikel zermahlen werden. Zeit und Raum scheinen jetzt relativ zu sein. 

Die Tür unseres Gartenhauses steht gerade weit geöffnet, sollen wir zusammen über die Schwelle gehen? Von nun an lasse ich den Würfel für uns entscheiden.

»Und so etwas steht in Gelsenkirchen«

Besprochen von Steffen Siegel

Neben so vielem anderen wird 2020 als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem man sich besser beeilt hat, soeben eröffnete Ausstellungen anzusehen. Andernfalls riskiert(e) man, vor verschlossenen Museumstüren zu stehen. Eine dieser vor der Zeit geschlossenen Ausstellungen ist »›Und so etwas steht in Gelsenkirchen…‹. Kulturbauten im Ruhrgebiet nach 1950«. Derzeit wäre sie eigentlich noch im Museum Folkwang zu sehen. Zehn Jahre nach Eröffnung von David Chipperfields Erweiterungsbau an der Essener Bismarckstraße wollte und will diese Ausstellung den kaum vergleichbaren Reichtum von Kulturbauten in den Blick nehmen, der sich auf dem geografisch so engen Raum des Ruhrgebiets als ein architektonisches und städtebauliches Ereignis erfahren lässt. Spreche ich aber vom Museum Folkwang an der Bismarckstraße, so beziehe ich mich unter der Hand bereits auf unsere eigene Gegenwart. Denn das Museum konnte man im Lauf von fast einhundert Jahren schon von allen Himmelsrichtungen aus betreten – Kulturbauten sind Architekturen im fortlaufenden Wandel.

Wer es genauer wissen will, sollte nach Dortmund ins Baukunstarchiv NRW fahren. Seit 2018 sitzt diese dem architekturgeschichtlichen Gedächtnis des Bundeslandes verpflichtete Institution im einstigen Museum am Ostwall (noch so ein fortlaufender Wandel). Aber auch dort sind derzeit natürlich die Türen verschlossen. Es bleibt derzeit nur ein Griff zu jenem Buch, das Hans-Ulrich Lechtreck, Wolfgang Sonne und Barbara Welzel herausgegeben haben – dessen Lektüre ist jedoch das Gegenteil einer Verlegenheitslösung. Es handelt sich um eine 400 Seiten starke Schatzkiste aus Bildern und Texten. In ihrem Zusammenspiel simulieren sie einen stöbernden Gang durchs Archiv: Es werden Archivboxen und Fotoalben geöffnet, Planschränke aufgezogen und Baupläne entrollt.

»Miniaturen« haben die Herausgeber*innen eine erste Gruppe von Texten genannt, in denen die Geschichte wichtiger Kulturbauten vorgestellt und die architektonischen Ideen diskutiert werden. Natürlich darf hier das »Musiktheater im Revier« nicht fehlen, immerhin bezieht sich der Buchtitel samt Yves-Klein-Blau auf diesen spektakulären, 1959 in Gelsenkirchen eröffneten Theaterneubau. Genauer betrachtet werden im Ganzen elf architektonische Meilensteine, darunter das Josef-Albers-Museum Quadrat in Bottrop, die Mercatorhalle in Duisburg (sie wurde vor wenigen Jahren abgerissen und durch ein CityPalais ersetzt, das genauso trist aussieht wie es heißt) oder das mit jahrzehntelanger Verspätung in den späten 1980er Jahren gebaute Aalto-Theater in Essen. Eine zweite Gruppe von Texten versammelt Essays – und diese lassen sich als eine exemplarisch am Ruhrgebiet entwickelte und brilliant zugespitzte Einführung in die Probleme von Architekturgeschichte, Bautypologie sowie Stadt- und Regionalentwicklung lesen.

Mit Blick auf verschiedene Neu- wie Umbauprojekte für Konzerthäuser im Ruhrgebiet wurde in jüngerer Zeit immer wieder kritisiert, dass die Städte des Ruhrgebiets in einen finanziell ruinösen Wettbewerb getreten sind, statt auf Kooperation und Aufgabenteilung zu setzen. Ganz falsch mag das nicht sein. Dennoch übersieht diese Kritik, welcher Reichtum in den zurückliegenden Jahrzehnten im Ruhrgebiet gerade deshalb entstanden ist – nicht allein architektonisch, sondern sehr viel mehr noch gesellschaftlich. Benannt ist damit die gar nicht so heimliche These des Buches: Wer Theater, Museen, Konzerthäuser oder Kinos baut, errichtet gesellschaftliche Mittelpunkte von dauerhaftem Wert. Zur Logik der »großen Stadt« zwischen Ruhr und Emscher gehört aber eben auch, dass es sich um eine polyzentrische Struktur handeln muss. Auf diese Weise existieren zum Beispiel im Ruhrgebiet nicht weniger als fünf Opernhäuser mit festem Ensemble (in Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Dortmund und Hagen) – das sind zwei mehr als in Berlin und drei mehr als in München.

Bereits vor zehn Jahren ist unter dem wunderbaren Titel »Auf den zweiten Blick. Architektur in der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen« ein (übrigens immer noch lieferbares) Buch erschienen (Mitherausgeber war auch seinerzeit schon Werner Sonne), das ich nicht allein liebe, sondern das ich spätestens seit meinem Wechsel an die Folkwang Universität und damit mitten ins Ruhrgebiet auch wie einen Reiseführer benutzt habe. Geografisch und thematisch fokussierter im Zuschnitt, aber vergleichbar opulent in Bild- wie Kommentarteil wird »Und so etwas steht in Gelsenkirchen…« etwas ganz Ähnliches leisten können. Und darf man sich, da ja Weihnachten vor der Tür steht, sogleich eine Fortsetzung wünschen? Das Museum Küppersmühle in Duisburg, direkt um die Ecke das Landesarchiv NRW, das Gasometer in Oberhausen, das Ruhr Museum auf der Zeche Zollverein in Essen, das Musikzentrum Bochum, das Theater Dortmund, der Erweiterungsbau im Osthaus Museum in Hagen, das LWL Museum für Archäologie in Herne – an bemerkenswerter Architektur wäre wirklich kein Mangel, auf den ersten wie auf den zweiten Blick.

Hans Jürgen Lechtreck, Wolfgang Sonne, Barbara Welzel (Hg.): »Und so etwas steht in Gelsenkirchen...« Kultur@Stadt_Bauten_Ruhr, Dortmund (Kettler) 2020. 400 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Klappenbroschur, 20 × 24 cm,  ISBN: 978-3-86206-835-7.

21 Briefe an die Fotografie

21 lettres à la photographie, Installationsansicht im Museum Folkwang Essen. Aufnahme: Jens Nober.

Besprochen von Maxie Fischer

Seit mehr als zehn Jahren erhalten 140 Personen im deutschsprachigen Raum, die im Ausstellungs-, Redaktions- und Verlagswesen tätig sind, in losen Abständen anonym verfasste Briefe. Das Museum Folkwang in Essen gibt eine erste Antwort und zeigte die Briefe nun als fotografisches Manifest. Jeder der versandten Briefe beinhaltet ein gefalztes Blatt Papier, dessen Vorder- und Rückseite eigene oder angeeignete Fotografien zeigt, gedruckt in einem gewöhnlichen Copyshop, verschickt in einem ebenso gewöhnlichen Briefumschlag aus Recyclingpapier im DIN Lang Format. Ein blauer Stempel benennt den Absender: 21.lettres.a.la.photographie@gmx.de.

Nun wird viel über die Autor*innenschaft spekuliert, aber geht dies nicht am eigentlichen Kern der Arbeit vorbei? Müsste die Frage nicht lauten: Was sehen wir in der Fotografie, wenn die Urheberschaft unbekannt ist und jede Kontextualisierung verwehrt wird? Zurückgeworfen auf das eigentliche Werk, wird der Zustand der zeitgenössischen Fotografie augenfällig. Wir spekulieren. Die Briefe sind ein Geflecht aus Referenzen, Metaphern, Aufforderungen und Verweigerungen. Doch was sehen wir eigentlich?

Brief #3 scheint die moralischen Grundfeste von Museumspolitik zu hinterfragen. Als Aufhänger dient die 26 Jahre währende Sponsoring-Vereinbarung zwischen dem Ölkonzern BP sowie der Tate Britain und der Tate Modern, dargestellt mit einer demonstrativen Zeigegeste auf ein Meeresbild und einer 24 Stunden Waschanlage des Unternehmens. Trotz Protesten und Debatten um die Tragfähigkeit dieser Zusammenarbeit, hielt die Tate an BP fest. Erst 2016, sieben Jahre nach dem Brief, beendete BP das Sponsoring. Die Fragen um die Machtstrukturen im Kunstbetrieb, Aufmerksamkeitsökonomien und faire Verdienstmöglichkeiten reißen indes nicht ab.

Ähnlich gesellschaftspolitisch und im Zeitgeschehen verankert wirkt Brief #9. In vier Teile zerrissen, wird auf dem wieder zusammengefügten Papier der Schriftzug Madame Curie“ lesbar. Ein Verweis auf Marie Curie, die mit ihrer Forschung zu Uranverbindungen das Unsichtbare sichtbar machte und dafür den Begriff der Radioaktivität prägte. Der Brief stammt von 2011, dem Jahr der Nuklearkatastrophe von Fukushima. Der Fotografie hängt ebenso das Paradigma der Sichtbarkeit an, dafür steht auch der im Brief befindliche Schnipsel Fotopapier, der erst mit dem Öffnen des Briefes belichtet wird. Doch wie hat die Fotografie auf die Unfallserie in dem Kernkraftwerk reagiert? Was hat sie sichtbar gemacht?

Das unverhüllte weibliche Geschlecht in Brief #14 erinnert gleichermaßen an Gustave Courbets Ölgemälde »Ursprung der Welt« und Man Rays fotografische Geschlechterstudien. Doch handelt es sich um ein vielfach zitiertes Motiv der Kunstgeschichte, Pornografie oder die unverstellte Betrachtung einer Vulva? Der letzte Brief wurde 2019 versandt. Er zeigt ein Shirt, auf Höhe des Herzens liegt ein Gehirn. Ein Kommentar auf die menschenverachtenden Zustände in der Textilindustrie? 

Mit der Ausstellung »21.lettres.a.la.photographie@gmx.de« machte das Museum Folkwang die Briefe erstmals öffentlich. Sie waren bisher ausschließlich an Personen adressiert, die mit Fotografie arbeiten, Kunst schaffen, Ausstellungen kuratieren, Zeitungen, Zeitschriften und Bücher füllen. Ganz im Verständnis der Mail Art stehen die Beziehung zwischen Personen und ihrem Handeln im Fokus des Werks. In diesem Sinne lassen sich diese als Mittel der Kommunikation verstehen, um einen Dialog zwischen den Empfänger*innen zu initiieren. Zumindest die Fragen in Brief #6 sollte sich jede Person stellen, die im Kunstbetrieb agiert: Wer sind Sie? Was wollen Sie? Warum sind Sie hier? Was machen Sie damit?

Gezeigt werden die Briefe als künstlerisches Manifest, fotografische Absichtserklärung und ästhetisches Programm. In diesem Zusammenhang provozieren die Briefe eine andere Sichtweise auf Anonymität, die Personen abseits der bekannten Zirkel Interaktion und Zugang zu Institutionen ermöglichen und auch die Rezeption zugunsten des Werks verschieben kann. Ganz simpel mit Nadeln an die Wand angebracht, wird die Einfachheit der postalischen Sendungen noch betont, die zwar mit unterschiedlichen Materialien arbeiten, jedoch keine Unterschiede in der Wertigkeit zwischen Papierausdruck, C-Print oder Silbergelatineabzug machen. Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit dem Absender per eMail erarbeitet. Ihr ging der Ankauf der Arbeit für die Sammlung voraus. Ob man deswegen Überlegungen zu einer institutionellen Vereinnahmung der Briefe anstellen muss, sei dahingestellt. Viel wichtiger ist die Frage, was wir in der Fotografie sehen.

Zu sehen war die Ausstellung »21.lettres.a.la.photographie@gmx.de« vom 19. Juni bis zum 8. November 2020 im Museum Folkwang Essen.