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»1839«

Bei den Éditions Macula in Paris ist soeben das Buch »1839. Daguerre, Talbot et la publication de la photographie« erschienen. Herausgegeben wurde die Anthologie von Steffen Siegel, der an der Folkwang Universität als Professor für Theorie und Geschichte der Fotografie unterrichtet. Es handelt sich um eine französische Übersetzung seines Buch »Neues Licht«, das 2014 im Wilhelm Fink Verlag erschienen war. Der neue Band umfasst 656 Seiten und ist mit 53 Abbildungen illustriert. Ausführlichere Informationen finden sich hier zur deutschen, englischen sowie französischen Fassung.

Renommierte Stipendien für Bachelorstudierende

Simon Baptist: aus der Serie »Baron«, 2020.

Simon Baptist und Wiebke Carla Meischner erhalten ab 2020 die Künstler*innenförderung des Cusanuswerks. Außerdem hat Anja Segermann erst jüngst den Wettbewerb um die Aufnahme in das Begabtenförderungsprogramm der Studienstiftung des deutschen Volkes erfolgreich bestanden. Alle drei Studierenden sind an der Folkwang Universität der Künste im Bachelor Fotografie eingeschrieben. Wir gratulieren ganz herzlich zur Aufnahme in dieses Begabtenförderprogramm!

A List of Distractions

In den vergangenen Monaten hat sich unsere Erfahrung des öffentlichen Raumes grundlegend verändert – im Großen wie im Kleinen. Das betrifft auch unsere direkte Nachbarschaft auf und um Zollverein. Vom 26. Juni bis zum 16. Juli 2020 treten Fotografie-Studierende im Rahmen des Ausstellungsprojektes A List of Distractions mit gestalterischen Mitteln in einen Dialog mit der Öffentlichkeit. In dieser Zeit bespielen sie zwischen den Haltestellen Zollverein Nord und Abzweig Katernberg mit ihren Arbeiten Großplakatwände und eine Litfaßsäule. Es handelt sich um keine Ausstellung im klassischen Sinn, denn in schnellem Rhythmus werden auf den Flächen Bilder auftauchen, sich überlagern, fragmentieren und verschwinden, um neuen Bildern Platz zu machen. Daher gibt es keine klassische Eröffnung, dafür aber die herzliche Einladung, ab diesem Freitag unsere Zollverein-Nachbarschaft immer wieder neu zu erkunden!

Mit fotografischen Arbeiten von Julius Barghop, Carsten Barth, Ayla Buchholz, Marie Eberhardt, Linda Hafeneger, Hendrik Hinkelmann, Marie Laforge, Katharina Ley, Ruth Magers, David Müller, Elke Seeger, Anja Segermann und Anton Vichrov. Das Projekt wurde geleitet von Matthias Gründig und Elke Seeger.

FOTOGRAFIE. Wolfgang Schulz und die Fotoszene um 1980

Nach einer ersten Station in Hamburg ist die Ausstellung nun in einer erweiterten Fassung vom 16. Juli bis zum 11. Oktober 2020 im Museum für Fotografie in Berlin zu sehen. Sie geht zurück auf ein Kooperationsprojekt der Folkwang Universität der Künste mit der Universität Konstanz.

In den Jahren um 1980 erlangte die Fotografie einen neuen Stellenwert im Kunstbetrieb. Neue fotografische Herangehensweisen wurden erprobt, Museen begannen, sich für das Medium zu interessieren, erste Fotogalerien wurden gegründet, 1977 hatte die Fotografie auf der documenta ihren ersten großen Auftritt, und es wurden Zeitschriften gegründet. Ausgangspunkt der Ausstellung zu dieser spannenden Umbruchszeit ist das Magazin „Fotografie. Zeitschrift internationaler Fotokunst“ (später „Fotografie: Kultur jetzt“), das zwischen 1977 und 1985 vierzigmal erschien und von Wolfgang Schulz herausgegeben wurde. Das Magazin entwickelte sich schnell zu einem viel beachteten, häufig umstrittenen überregionalen Szeneblatt: ein überaus lebendiges Forum für einen weitverzweigten Aufbruch, in dem Kunstkommerz noch keine prägende Rolle spielte.

Wolfgang Schulz versuchte, sich festschreibenden Normen zu entziehen und verfolgte als Redakteur der Zeitschrift wie auch als Fotograf, der ein beachtliches Werk geschaffen hat, sehr unterschiedliche Stile und Sujets. Die Zeitschrift scheint heute beinahe vollständig vergessen. Doch die Leistungen des Herausgebers und der beitragenden Autor*innen und Fotograf*innen verdienen es, genauer betrachtet zu werden. Die von ihnen gefundene Mischung aus Bildern und Texten ist eine bedeutende Quelle zur Erkundung einer fotografischen Szene, die um 1980 mit Nachdruck an der Etablierung der Fotografie als einer eigenständigen Kunstform arbeitete.

Das Projekt ist ein erster Versuch, ein wichtiges Stück Fotogeschichte in Westdeutschland wiederzuentdecken. Die Ausstellung gliedert sich in vier Abschnitte: Sie würdigt das fotografische Werk von Wolfgang Schulz aus der Zeit um 1980, stellt Werke verschiedener Fotograf*innen vor, deren Arbeit prägend für die Jahre um 1980 wurde, präsentiert alle vierzig Ausgaben der Zeitschrift „Fotografie“ (die in ihrem Nebeneinander ein eindrucksvolles gestalterisches Panorama ergeben) und lässt in Video-Interviews Zeitzeugen im Sinne einer „Oral History“ zu Wort kommen.

Wolfgang Schulz, Hans Christian Adam, Gosbert Adler, Dieter Appelt, Heiner Blum, Joachim Brohm, Dörte Eißfeldt, Verena von Gagern, André Gelpke, Dagmar Hartig, Andreas Horlitz, Hans-Martin Küsters, Reinhard Matz, Angela Neuke, Heinrich Riebesehl, Wilhelm Schürmann, Holger Stumpf, Ulrich Tillmann/Wolfgang Vollmer, Petra Wittmar und Miron Zownir.

Die Ausstellung wird kuratiert von Reinhard Matz, Steffen Siegel und Bernd Stiegler in Zusammenarbeit mit Esther Ruelfs, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Für die Ausstellungsstation in Berlin wurde sie in Zusammenarbeit mit Ludger Derenthal, Kunstbibliothek, erweitert. An der Vorbereitung der Ausstellung beteiligt waren Studierende des M.A. Photography Studies and Research der Folkwang Universität der Künste sowie des Studiengangs Literatur-Kunst-Medien der Universität Konstanz.

Zur Ausstellung erschien ein Katalog im Leipziger Verlag Spector Books.

Future Histories

In his blog series »Future Histories«, written for the »Still Searching…« blog from Fotomuseum Winterthur, Steffen Siegel discusses various problems of older and more recent historiographies of photography – and how to go beyond them. Photographic image-production and the medium’s historiography share almost the same age. However, compared to photography’s innovative or even revolutionary visual strategies, the forms of writing about its history have remained surprisingly traditional.

Photography Studies always have been a nomadic enterprise within an interdisciplinary environment. Nevertheless, there is a risk of taming these research activities by adopting models and genres from other academic disciplines. This blog series is an invitation to discuss the following questions: How can we arrive at new ways of reflecting on photo history? How can we create a bigger picture without just writing another compendious book? Thus, how can »Future Histories« lead to different ways of representing the medium’s history?

The blog series consists of five parts, published between April and July 2020: »The Bigger Picture«, »Beyond Newhall?«, »Lowering the Sights?«, »Leaving the Book Behind«, and »Collaborations«.

Dissertationsstipendien für Maxie Fischer und Judith Riemer

Seit dem 1. Juli dieses Jahres werden sogleich zwei Doktorandinnen des Promotionsprogramms »Theorie und Geschichte der Fotografie« mit einem dreijährigen Forschungsstipendium gefördert. Maxie Fischer warb für ihr Dissertationsvorhaben Michael Schmidt: »Graue Ästhetik. Fotografische Praxis und ästhetischer Diskurs« ein Stipendium des Evangelischen Studienwerk Villigst ein. Das Forschungsprojekt »Das Fotoalbum als Medium künstlerischen Ausdrucks in den 1920er und 1930er Jahren« von Judith Riemer wird von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert.

Kai Behrendt: »Untitled (Laser Etchings)«

Kai Behrendt: Untitled (Laser Etchings), 2020

Als Ablation wird der Prozess bezeichnet, bei dem Material durch Hitzeeinwirkung abgetragen wird. Dieses Prinzip nutzt Kai Behrendt in seiner Arbeit »Untitled (Laser Etchings)«. Im Juli 2020 hat er mit dieser Arbeit sein Studium im Master-Programm »Photography Studies and Practice« erfolgreich abgeschlossen.

In der Installation werden vier große C-Prints gezeigt, in die mithilfe eines Lasercutters Bilder, Texte und Diagramme graviert wurden. Das analoge Fotopapier wird noch vor der chemischen Entwicklung mit dem Laser in einer Dunkelkammer bearbeitet. Der verwendete Kohlenstoff­dioxid-Laser erzeugt beim Gravieren Licht, das ebenfalls im fotoempfindlichen Material Spuren hinterlässt. Durch die einwirkende Hitze und den Materialabtrag verformt sich das eigentlich flache Fotopapier, wodurch es eine reliefartige Oberflächenstruktur erhält.

Auf die schultafelgroßen Bildreliefs sind verschiedene Informationen belichtet und graviert – darunter Kalibrierungsbilder, ägyptologische Transliterationen, analo­ge und digitale Lensflares, von einer A.I. erzeugte Texte, Fotografien, Trauminterpretationen, Texturen von Fotogrammetrien und Ausschnitte aus einem Handbuch für Programmierer. Diese semantischen Ebenen sind durch die Lasergravur in eine spezifische Faktur eingebettet. Die Bilder reproduzieren die komplexen Kodierungen und Ambivalenzen, die die Informationsgesellschaft hervorbringt.

Die C-Prints sind an der Wand oder in Rahmenkonstruktionen angebracht und fächerförmig angeordnet. In dieser raumgreifenden Konstellation über­lagern sich die einzelnen Objekte in einem rhizomatischen Beziehungsnetz, das die Hierarchien zwischen den ineinander verschränkten Bildelementen weiter auflöst. 

Franziska Kunze wird Kuratorin an der Pinakothek der Moderne in München

Franziska Kunze ist an die Münchner Pinakothek der Moderne als Kuratorin für den Sammlungsbereich Fotografie und Medienkunst berufen worden. Sie wird ihre Tätigkeit am 1. August aufnehmen. Im Jahr 2018 wurde Franziska Kunze mit ihrer Dissertation Opake Fotografien. Das Sichtbarmachen fotografischer Materialität als künstlerische Strategie an der Folkwang Universität der Künste im Fach Theorie und Geschichte der Fotografie promoviert. 2019 ist diese Arbeit beim Reimer Verlag als Buch erschienen. Nach ihrer Zeit als Stipendiatin der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung im Programm Museumskuratoren für Fotografie war sie bisher stellvertretend als Sammlungsleiterin für Gegenwartskunst LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster tätig.

Jonas Kamm: »Inhabitants«

Jonas Kamm: Dave, Dee & Dozy, 2020. C-Print, Rendering, 120 × 95 cm

Jonas Kamm arbeitet an der Schnittstelle zwischen Bild und Skulptur. Dabei bedient er sich neuer Methoden der Bildproduktion: Mit Hilfe von Computer Generated Imagery schafft er ein Universum von Situationen, in denen sich sonderbare Objekte und »Inhabitants« begegnen. In ihrer Kombination stiften sie rätselhafte Mikrodramen, deren Bedeutung in der Schwebe bleibt. Man kann es in ein Paradox fassen: Indem Jonas Kamm Fantastisches inszeniert und dabei Falsches erzeugt, begibt er sich mit den künstlerischen Mittel der CGI auf die Suche nach der Wahrheit. Mit einer Auswahl dieser faszinierenden Bilder hat er im Juni 2020 an der Folkwang Universität der Künste seinen Bachelor of Arts im Fach Fotografie erhalten.

Ästhetik der Skalierung

Sonderheft 18 (2020) der Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft (ZÄK), herausgegeben von Carlos Spoerhase, Steffen Siegel und Nikolaus Wegmann.

Die Beiträge vermessen einen bislang nur wenig beachteten Forschungsbereich: die Ästhetik der Skalierung. Ob in Texten oder Bildern, Tönen oder Performances – ästhetische Phänomene lassen sich anhand eines Spektrums skalieren, das von ‚minimal‘ bis ‚maximal‘ reicht. Von kurz bis lang, klein bis groß, leise bis laut, langsam bis schnell lässt sich aus dieser Perspektive eine Vielzahl künstlerischer Phänomene mit großem Erkenntnisgewinn betrachten. Wesentlich ist die mit dem Begriff der Skalierung aufgerufene Vorstellung einer stufenweisen Entfaltung, das heißt einer graduellen Quantifizierung in Raum und Zeit: In zwölf Untersuchungen werden diese Möglichkeiten anhand verschiedener Künste seit der frühen Moderne bis in die unmittelbare Gegenwart in den Blick genommen und die Potenziale von Kompression und Amplifikation diskutiert.

Die Beiträgen stammen von von Carlos Spoerhase, Gesa Zur Nieden, Isa Wortelkamp, Nicola Glaubitz, Benjamin Krautter, Marcus Willand, Andrew Fisher, Steffen Siegel, Marc Ries, Claudia Tittel, Lilian Haberer, Veronica Peselmann und Jens-Christian Rabe.

211 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, kartoniert. 978-3-7873-3815-3.



The Viehofer Years

Mit dem Umzug der Folkwang Universität der Künste auf das Areal des Welterbe Zollverein zum Wintersemester 2017/2018 hat ein neues Kapitel in der langen Tradition der Fotografieschen Ausbildung an Folkwang begonnen. Dazu gehört auch, dass die im Jahr 2011 gegründete Galerie 52 nach 60 Ausstellungen in der Essener Stadtmitte nun auch nach Zollverein gezogen ist. Im Quartier Nord hat sie im Oktober 2017 ihre neuen Räume bezogen.

Das Buch „The Viehofer Years“ wirft einen Blick zurück auf die ersten sieben Jahre der Galerie 52. Es dokumentiert und untersucht die Auswirkungen des erweiterten Lehrangebots, das in der Viehofer Straße 52 stattfand und zugleich ein lebendiger Mittelpunkt der gesamten Fachgruppe Fotografie gewesen ist. Mit dieser Publikation sollen die zahlreichen Aktivitäten an diesem Ort zusammengefasst und die Folgen für die Lehre und die künstlerische Praxis unserer Studierenden untersucht werden. Neben Texten von drei Lehrenden – Christopher Muller, Elisabeth Neudörfl und Steffen Siegel – enthält das Buch auch Essays von zwei Studentinnen des Master-Studiengangs „Photography Studies and Research“ – Franziska Barth und Angela Deußen und einem Absolventen des Bachelor-Studiengangs Fotografie, Christian Lübbert.

Zahlreiche Interviews mit Studierenden thematisieren den Einfluss der in der Viehofer Straße entstandenen Ateliergemeinschaften auf die künstlerische und fotografische Praxis. Den Hauptteil der Abbildungen bilden Ausstellungshighlights aus dem Programm der Galerie 52. Zudem hat Sebastian Wolf, er studiert im Master „Photography Studies and Practice“, im Sommersemester 2017 eine Porträtreihe der damaligen Ateliernutzer*innen für diese Publikation angefertigt.

Das Buch ist in der Folkwang Edition erschienen und wurde vom Gründer und Kurator der Galerie 52, Christopher Muller, herausgegeben.

Herzog Ernst-Stipendium für Hannes Wietschel

Hannes Wietschel, Doktorand an der Folkwang Universität der Künste im Fach Theorie und Geschichte der Fotografie, wurde ein Herzog Ernst-Stipendium der Forschungsbibliothek Gotha zugesprochen. Es wird dazu dienen, für die Dauer von drei Monaten in der Sammlung Perthes im thüringischen Gotha zu forschen — europaweit eine der wichtigsten Spezialsammlungen für die Geschichte von Geografie und Kartografie. Seit 2017 arbeitet Hannes Wietschel an seiner Dissertation Die photographische Werkstatt der Geographie. Photographien und die Spuren ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung um 1900. Außerdem war er im Sommersemester 2019 Lehrbeauftragter für Theorie und Geschichte der Fotografie und ist dies auch im aktuellen Wintersemester.

Andrés Mario Zervigón zu Gast an der Folkwang Universität der Künste

Anlässlich des Forschungskolloquiums zur Theorie und Geschichte der Fotografie ist Mitte Juli der renommierte Fotohistoriker Andrés Mario Zervigón zu Gast an der Folkwang Universität der Künste. Zervigón lehrt als Professor für Fotogeschichte an der Rutgers University und leitet dort das Forschungszentrum „The Developing Room“.

Mit einer Vielzahl von Publikationen hat er sich in den zurückliegenden Jahren als ein Experte insbesondere für die deutsche Fotogeschichte vorgestellt. Zu seinen neuen Büchern gehören „John Heartfield and the Agitated Image“ (2012) und „Photography and Germany“ (2017) sowie die von ihm mit herausgegeben Bände „Photography and Its Origins“ (2015) sowie „Photography and Doubt“ (2017).
 

Rundgang 2019

Rundgang des Fachbereichs Gestaltung
27.–29. Juni 2019 im Quartier Nord
Ausstellungen, Workshops, Performances & mehr
Party am Freitag, den 28. Juni 2019 ab 22 Uhr im Interaktionslabor

Wie in jedem Jahr parallel zur Langen Nacht der Industriekultur auf dem Campus Welterbe Zeche Zollverein.

Abigail Solomon-Godeau zu Gast in der Fachgruppe Fotografie

Im Sommersemester begrüßt die Fachgruppe Fotografie mit Abigail Solomon-Godeau für mehrere Tage einen prominenten Gast an der Folkwang Universität. Wie kaum eine zweite Forscherin hat Solomon-Godeau in den zurückliegenden vier Jahrzehnten Einfluss genommen auf die Ausbildung und Entwicklung eines interdisziplinären Felds der Fotokritik. Vor allem in pointierten Essays hat sie dabei Grundsatzfragen der Fotoforschung erörtert, eingeführte Begriffe und Denkmodelle kritisch hinterfragt und dabei stets eine institutionenkritische Perspektive profiliert. Gerade in jener Zeit, da sich der Kunstmarkt mit ganzem Nachdruck der Fotografie als einem künstlerischen Medium zuwandte, hat Solomon-Godeau ein selbstreflexives Nachdenken über diese Entwicklung betont. Nicht zuletzt ist ihre Arbeit von einer feministischen Interpretation der Fotogeschichte geprägt.

Zu Beginn ihres Aufenthalts an der Folkwang Universität wird Abigail Solomon-Godeau am 5. Juni 2019 ab 18 Uhr im SANAA-Gebäude einen öffentlichen Abendvortrag halten. In ihm widmet sie sich der Ikonografie der gegenwärtig vielleicht am weitesten verbreiteten Fotoserie: den auf Zigarettenpackungen angebrachten Fotografien, die vor Gesundheitsschäden durch das Rauchen warnen sollen. In diesem Zusammenhang stellt sie scheinbar ganz einfache Fragen: Wer hat sich das alles ausgedacht? Wer hat diese Bilder überhaupt aufgenommen? Wer hat sie ausgewählt? Und nicht zuletzt: Tun sie wirklich ihre Wirkung? Der Eintritt ist frei, eine Voranmeldung ist nicht erforderlich.

Galerie 52 im Sommersemester 2019

Phillip Berg & Marlon Quattelbaum: nachlass max burchartz an der folkwang universität der künste, ­essen
26.4.–4.5.2019

Claudius Dorner: Konstruk­tionen Claudius Dorner
10.5.–17.5.2019

Killa Schütze: HANAQ EARTH
24.5.–31.5.2019

Sophie Thun: Extended ­Double ­Release
7.6.–14.6.2019

Lisa Franke & Jonas Kamm: Flesh / ­Gegenüber
21.6.–30.6.2019

Simon Grunert: Senne
5.7.–13.7.2019

DGPh-Bildungspreis 2019 für Nafiseh Fathollahzadeh

Folkwang Alumna Nafiseh Fathollahzadeh (MA Photography Studies and Practice 2018) wurde von der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) mit dem von der Gesellschaft alle zwei Jahre verliehenen Bildungspreis geehrt. Mit dieser wichtigen Auszeichnung würdigt die Jury das kollaborative Projekt „Momentography of a failure“ der aus dem Iran stammenden Künstlerin. Die Jury würdigt den „sehr reflektierten, konzeptuellen Umgang mit dem Medium Fotografie [...], der Menschen aus verschiedenen Disziplinen fördert und das Bestreben hat, die Welt auf vielfältigen Ebenen zu erschließen.“ Fathollahzadeh und ihr Team konnten sich so gegen 32 Mitbewerber*innen durchsetzen. Ziel der DGPh ist es, mit dem seit 2013 verliehenen Preis interessante Projekte im Bereich der Vermittlung von und mit Fotografie zu entdecken und bekannt zu machen sowie die öffentliche Wahrnehmung fotografischer Bildungsarbeit zu steigern. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert.

Nafiseh Fathollahzadeh hat das Projekt 2017 gegründet. Gemeinsam mit einem Team aus Städteforscher*innen, Geograf*innen, Aktivist*innen, Fotograf*innen und Anwohner*innen führt sie seit 2018 in verschiedenen Städten Workshops durch, in denen urbane Kontexte ausgewählter Stadtviertel erschlossen werden. Bisherige Stationen waren unter anderem Berlin, Addis Abeba und Gelsenkirchen.

Ergänzend zu den Workshops wurde eine App entwickelt, auf der Informationen zu den besuchten Regionen hochgeladen werden können. Auf diese Weise entstehen Foto-Essays auf der Weltkarte, die mit Kategorien wie „Menschenrechte“, „Wirtschaft“, „Freiheit“, „Rassismus“ und „Friede“ versehen werden und so auf Probleme und Potentiale der verschiedenen Bezirke aufmerksam machen. User der App können ihre eigenen Fotografien hochladen und somit interaktiv an „Momentography of a failure“ teilnehmen. Die Nutzung des Mediums Fotografie als vermittelndem Ausdrucksträger zieht sich durch alle Ebenen des Projekts. Neben den extra hierfür gefertigten Fotografien findet auch gefundenes Bildmaterial wie Familienalben und Postkarten Eingang in die gemeinsame Arbeit.

Website der DGPh

WA XVI

Ein Projekt des Studiengangs Fotografie der Folkwang Universität der Künste in Zusammenarbeit mit dem Historischen Archiv Krupp und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

Über mehr als ein Jahr haben sich Studierende der Fotografie im Rahmen einer Lehrveranstaltung der Folkwang Universität der Künste mit den Beständen des Historischen Archivs Krupp auseinandergesetzt. Ihre Ergebnisse werden im Rahmen einer Kabinettausstellung in vier Räumen der Villa Hügel zu sehen sein. Fünf künstlerische Projekte sind entstanden, die sich auf individuelle Weise den geschichtlichen Quellen nähern, Bezug auf die Räume des Archivs nehmen und zeitgenössischen Orten der Erinnerung an den Namen Krupp bildnerisch nachspüren. Die Ausstellung zeigt fotografische Sichtweisen junger Künstlerinnen und Künstler, die die Geschichte des Unternehmens Krupp neu dokumentieren und interpretieren. Das Krupp-Archiv ist dabei Anlass und Inspiration für ihren Umgang mit der Geschichte. So dienen die Quellen des Archivs zur Recherche, sie werden aber auch zum Teil der künstlerischen Arbeiten. Der Titel der Ausstellung greift auf die Bestandsgruppe im Historischen Archiv Krupp zurück. Unter WA XVI werden Fotografien aufbewahrt und erschlossen werden, und zwar seit der Gründung des Archivs im Jahr 1905. Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hat diese Ausstellung gefördert. Sie ist auch Eigentümerin des Archivs.

Gezeigt werden Arbeiten von Vanessa Arms, Kirstin Kaarina Brandt, Ursula Dusch, Nico Kleemann, Anne Stoll und Vladimir Unkovic. Betreut und künstlerisch geleitet wurde das Projekt von Prof. Elke Seeger gemeinsam mit Prof. Dr. Ralf Stremmel, Leiter des Historischen Archivs Krupp, Manuela Fellner-Feldhaus, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archivs, und Dr. Ute Kleinmann, Kulturstiftung Ruhr.

Neben Fotografien werden ein Künstlerbuch, ein Video und archivarisches Material in der Ausstellung zu sehen sein. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in der Reihe Folkwang EDITION.

Ausführliche Informationen zum Katalog

Kritik

EFEG #9 Aglaia Konrad / Carrara

In der neunten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über »Carrara« von Aglaia Konrad. Erschienen ist das Buch 2011 bei Roma Publications in Amsterdam. Die Fotografin fragmentiert mit dem »Ausschnitt-Werkzeug« Fotokamera die Marmor-Steinbrüche von Carrara und konstruiert aus den Bildern eine ungewöhnliche Seherfahrung. Das Buch enthält außerdem einen Text von Angelika Stepken. Ca. 29 cm × 21,5 cm, 136 Seiten, 119 Schwarzweiß- und 18 Farb-Fotografien (sowie die Farbfotografie auf dem Schutzumschlag).

Aglaia Konrad wurde 1960 in Salzburg geboren, 1990–1992 Studium der Fotografie an der Jan von Eyck Academie in Maastricht. Seit 2007 ist sie Professorin an der Sint-Lukas in Brüssel. Zahlreiche Auszeichnungen, 1997 Teilnehmerin der documenta X, 2003 Camera Austria Preis für zeitgenössische Fotografie, 2023 Österreichischer Staatspreis für Fotografie.
 

EFEG #8 Katja Stuke / Supernatural

In der achten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über zwei Bücher von Katja Stuke: »Supernatural« von 2010 und »Supernatural 2021« aus dem titelgebenden Jahr. In diesem Projekt »Supernatural« hat Katja Stuke Sportlerinnen bei den Olympischen Spielen am Fernseher beobachtet und in einem Moment großer Konzentration direkt vor ihrer sportlichen Leistung fotografiert. »Supernatural 2021« ist eine Weiterentwicklung, es ändert sich die Auswahl der Athlet:innen, der Sportarten, es ändern sich aber auch der Blick und der Umgang mit den Bildern im Heft.

Katja Stuke (*1968) lebt und arbeitet in Düsseldorf. Studium an der FH Düsseldorf. Ausgezeichnet unter anderem mit dem LUMA Rencontres Dummy Book Award at the Rencontres d’Arles 2017 und als Lauréat Regards du Grand Paris Ateliers Medicis, Centre national des arts plastiques Paris (beides mit Oliver Sieber).

 

EFEG #7 Helga Paris / Häuser und Gesichter. Fotografien 1983–85

In der siebten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über Helga Paris’ »Häuser und Gesichter. Fotografien 1983–85«. Das Buch ist zuerst 1986 erschienen und auch nicht erschienen – bevor es dann einige Jahre später in einer Neuausgabe endgültig erscheinen konnte.

Helga Paris wollte Halle an der Saale wie eine ganz fremde Stadt fotografieren. Das Buch beginnt mit Straßenansichten, es folgen Porträts, die sie hauptsächlich auf der Straße fotografiert hat. Die Ausstellung, zu der Paris dieses Buch gemacht hat, durfte 1986 nicht gezeigt werden und wurde 1990 nachgeholt.

 

EFEG #6 Deanna Templeton / What She Said

In der sechsten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« besprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl das Fotobuch »What She Said« von Deanna Templeton. Erschienen ist es 2021 bei Mack Books in London.

Deanna Templeton fotografiert weibliche Teenager und junge Frauen und stellt diese Porträts in einen Zusammenhang mit Tagebucheinträgen und Konzertflyern aus ihrer eigenen Jugend in den 1980er Jahren.

Rein theoretisch #6 Fotografierverbot

Dortje Fink und Julia Wolf, beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research, sprechen in der sechsten Folge ihres Podcasts »Rein theoretisch« über Fotografierverbote.

Was haben das Van Gogh Museum in Amsterdam, der Uluru in Australien, die Stadt Kyoto in Japan, aber auch die Herbertstraße in Hamburg, das Berghain in Berlin, New Yorker Gay Bars der 80er Jahre und Sicherheitsgebiete in Kriegszeiten gemeinsam? Spoiler: Sie stellen Orte dar, an denen es nicht gestattet ist zu fotografieren. 

Die Gegebenheiten, in denen sie uns begegnen, sind genauso vielseitig wie die Gründe für solche Reglements. Ob in Clubs durch das Abkleben von Handykameras, in Museen anhand von Hinweisen des Aufsichtspersonals oder an sakralen Orten nach dem unausgesprochenen Gesetz des gegenseitigen Respekts. Eines haben sie gemeinsam: Fotografie wird in all diesen Fällen als problematisch oder gar bedrohlich angesehen. Fotos, die aufgrund verschiedenster Verbote nicht existieren, lassen zudem ein spannendes Gedankenspiel zu. Welche Abbildungen werden in bestimmten Situationen antizipiert? Und welche negativen Auswirkungen könnten diese haben?

Fink & Wolf teilen in dieser Podcast-Folge ihre Gedanken zur gezielten Unterbindung privater Fotoaufnahmen und stoßen dabei an die Grenzen ihrer situationsbedingten Sinnhaftigkeit. Am Ende stellt sich die Frage ob wir aufgrund der allgegenwärtigen Kameranutzung vermehrt mit Fotoverboten konfrontiert werden sollten oder nicht.

Abrufbar ist die neue Folge, wie alle anderen auch, auf Apple Podcast und Spotify.
 

EFEG #5 Bettina Lockemann / Southward – nach Süden

In der fünften Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über Bettina Lockemanns »Southward – nach Süden«, erschienen beim Fotohof Salzburg im Jahr 2021.

Bettina Lockemann ist 2017 in die Südstaaten der USA gereist. Dort trifft sie auf Gegenden und Städte, die einerseits mit vielen Hypotheken aus der Vergangenheit zu kämpfen haben, in denen sich aber auch viele Initiativen wie zum Beispiel das Rural Studio finden. Das gehört zur Auburn University, und seine Studierenden entwickeln gemeinsam mit den Menschen vor Ort Methoden zum Bau günstigen Wohnraums. Lockemann sucht viele dieser Initiativen auf, spricht mit den Beteiligten und fügt ihren Fotografien kurze Texte bei, die aus Sicht dieser Menschen die Situation beschreiben.

Bettina Lockemann wurde 1971 in Berlin geboren. Nach einer Ausbildung zur Fotografin studierte sie an der HGB in Leipzig. Promotion in Kunstgeschichte, Lehre an vielen unterschiedlichen Hochschulen im In- und Ausland, sechs Jahre lang war sie Professorin für Fotografie an der HBK Braunschweig. Bettina Lockemann hat eine sehr informative Website.

Ca. 24,5 cm × 16,5 cm, Klappenbroschur, 156 Seiten, Schwarzweiß und Farbe, 90 Fotografien.

 

EFEG #4 Hannah Darabi / Soleil of Persian Square

In der vierten Folge von EFEG – Einige Fotobücher, einige Gedanken – sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über »Soleil of Persian Square« von Hannah Darabi. Erschienen ist dieses Buch 2021 bei den Éditions Gwinzegal in Paris. Die EFEG-Folge ist auf diesem YouTube-Kanal abrufbar.

Der Titel von Hannah Darabis Buch bezieht sich auf das Bistro »Soleil« am »Persian Square« in Los Angeles, das auf einem ihrer Fotos zu finden ist. Stadtansichten von Los Angeles mit Hinweisen auf die dortige iranische Diaspora treffen in dem Buch auf Abbildungen von Musikkassetten, Ausschnitten aus den Gelben Seiten von Los Angeles, Stills aus Musikvideos und informellen Porträts, von denen es jeweils zwei gibt.

Hannah Darabi wurde 1981 in Teheran geboren. Nach einem Studium an der Hochschule der Schönen Künste in Teheran und an der Universität Paris VIII-Saint-Denis lebt sie heute als Künstlerin in Paris.

Einige weiterführende Hinweise: Das im Gespräch erwähnte Video der Wüstenrot-Stiftung ist hier zu finden. ● Hannah Darabi: Enghelab Street. A Revolution through Books: Iran 1979–1983, Leipzig (Spector Books) 2019. ● Das Buch von Bahman Jalali und Rana Javadi von 1979, »Days of Blood, Days of Fire«, ist 2020 als Reprint ebenfalls bei Spector Books erschienen, es enthält einen Einleger mit einem einführenden Text auch auf Englisch. Bedauerlicherweise gibt es keine Übersetzung der im Buch selbst vorkommenden Texte und Bildunterschriften. ● Inka Schube (Hg.): Bahman Jalali, Köln (König) 2011. ● Auf der Bandcamp Seite von ANYWAVE findet ihr das Tape »Soleil of Persian Square / Post California« zum streamen.

Hannah Darabi: Soleil of Persian Square, Paris (Éditions Gwinzegal) 2021. Etwa 28 cm x 22 cm, Broschur, 220 Seiten.

 

Rein theoretisch #5 Gelöschte Fotografien

Dortje Fink und Julia Wolf, beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research, sprechen in der fünften Folge ihres Podcasts REIN THEORETISCH über gelöschte Fotografien.

Mit der Zeit sammeln sich auf unseren Smartphones Massen an überflüssigen Fotografien an. Anhand ihrer zuletzt gelöschten Handyfotos reflektieren Fink&Wolf die heutigen Ansprüche an selbst geschossene Fotografien und aus welchen Gründen diese dann wieder gelöscht werden. Das gezielte Vernichten von belastendem Fotomaterial unterscheidet sich dabei klar vom versehentlichen Löschen visueller Erinnerungen.

Der Verlust bedeutender Fotografien war zur Zeit der analogen Technik schon allein wegen ihrer fragilen Materialität ein Risiko, wie Robert Capas Fotografien des D-Day in der Normandie zeigen. Jedoch sind private Handybilder als digitale Information ohne konkreten Bildträger ebenso leicht auszulöschen. Datenträger wie Floppy Disks geraten aus der Mode und werden unlesbar, JPEGs nutzen sich mit steigender Verwendung ab und enden als beschädigte Dateien. Auf der anderen Seite verdeutlichen Fälle wie der sogenannte Techno Viking, der in Berlin auf der Fuckparade gefilmt wurde, oder Plattformen zum Hochladen intimer Fotografien von Ex-Partner:innen, (die wir namentlich nicht nennen wollen, um solche Übergriffe nicht zu verstärken) wie aussichtslos der Wunsch nach Löschung sein kann. Katja Müller-Helle beschreibt mit dem Streisand-Effekt zudem, dass Bilder, die im Netz vermeintlich vom Löschen bedroht sind, umso mehr gespeichert und geteilt werden.

Ob heimlich, erzwungen, symbolisch oder versehentlich, gelöschte Fotografien sparen meist einen besonders interessanten Teil unserer Realität aus und stellen uns vor die Frage wie sehr wir unser Wissen darauf beschränken können, was für uns sichtbar ist.

Abrufbar ist die neue Folge, wie alle anderen auch, auf Apple Podcast und Spotify.

Rein theoretisch #4 Blickregime

Die vierte Folge befasst sich mit Blickregimen: In der Fachsprache werden Machtverhältnisse, die durch Fotografien entstehen, Blickregime genannt. Sexismus und Rassismus nutzen die objektifizierende Eigenschaft des fotografischen Mediums bis heute. Wie das Fotografieren die visuelle Wahrnehmung konstruiert und welche Rollenverteilung damit einhergeht, diskutieren Fink & Wolf anhand der Konzepte »Male Gaze« und »Colonial Gaze«. Die Vorstellung, dass Fotos die Realität abbilden, kommt dabei stark ins Wanken und führt zur Frage, welche Repräsentationen wir als »normal« empfinden und welche Bilder zur systematischen Diskriminierung beitragen.

REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

Hosen haben Röcke an

Besprochen von Steffen Siegel

Das letzte Bild im Buch ist das charmanteste: die Künstlerinnengruppe Erfurt als Diagramm, alle porträtieren alle, ein Tableau aus 64 Beziehungen. Entscheidender aber ist das gemeinsame Ganze. Wer Gabriele Stötzer autobiografisches Buch »Der lange Arm der Stasi« – vor einem Jahr erschienen bei Spector Books – gelesen hat, kennt die Umrisse. Denn eigentlich ist Stötzers Buch das Porträt einer weit verzweigten Gruppe oppositioneller Erfurter Künstlerinnen und Künstlern.

»Hosen haben Röcke an«, dieses Jahr beim Hatje Cantz Verlag erschienen, ist beides zugleich: eine Engführung und eine Erweiterung. Einerseits konzentriert sich der Katalog auf jene Gruppe von etwa 15 Künstlerinnen, die zwischen 1984 und 1994 unter wechselndem Namen auftraten. Andererseits reicht das Interesse hier, analog zur Entwicklung der Gruppe, über die Epochenwende von 1989/1990 hinaus. Es waren Auftritte im engen Sinn des Wortes: Performances, Filme, Fotosessions, Modenschauen, Happenings, am 4. Dezember 1989 dann die Besetzung der Erfurter Staatssicherheit – überhaupt die erste in der DDR und eine der wichtigsten wie folgenreichsten Performances jener Zeit. Das Buch ist der nachgereichte Katalog zu einer Ausstellung, die bereits vor eineinhalb Jahren in der nGBK Berlin zu sehen war, und es ist absolut lesenswert.

Gebaut haben die fünf Autorinnen – Susanne Altmann, Katalin Krasznahorkai, Christin Müller, Franziska Schmidt und Sonia Voss – das Buch um fünf Filme der Künstlerinnengruppe, von denen aus die Geschichten von Widerstand, Subversion, Appropriation und Parodie erzählt werden. Das geht, was die Filme selbst angeht, im Buch natürlich nur bedingt gut auf, das mehr als reiche und wohl fast immer zum ersten Mal publizierte Archivmaterial macht das indes wett.

Das von Klimaite Klimaite Berlin wunderbar gestaltete Buch schließt dieses Archiv schlaglichtartig kommentierend auf. Alle Texte finden sich im Buch durchgehend zweisprachig auf Deutsch und Englisch. Wer es noch genauer wissen will, findet in einer von Christin Müller erstellten Chronologie und einer umfassenden Bibliografie weitere Informationen. Man kann aber auch einfach nach Thüringen fahren und dort im Kunsthaus Erfurt vorbeischauen. Gegründet wurde es 1990 in der Michaelisstraße 34, wo es sich nach wie vor befindet und für die lokale wie überregionale Kunst- und Kulturarbeit ein wichtiges Zentrum ist. Aus einer Initiative der Künstlerinnengruppe hervorgegangen, wird es unverändert von Monique Förster, einem ihrer Mitglieder, geleitet.  

Susanne Altmann, Kata Krasznahorkai, Christin Müller, Franziska Schmidt, Sonia Voss: Hosen haben Röcke an. Künstlerinnengruppe Erfurt, 1984–1994 / Pants Wear Skirts. The Erfurt Women Artists’ Group, 1984–1994, Berlin (Hatje Cantz) 2023. Broschur, 256 Seiten, 200 Abbildungen, 26,5 × 19,5 cm. ISBN: 978-3-7757-5258-9.

 

Rein theoretisch #3 Bildgedächtnis

Die dritte Folge von REIN THEORETISCH handelt vom Bildgedächtnis: Fotografien sind Teil eines individuellen und kollektiven Gedächtnisses. Sie werden zu Bildikonen, die Menschen vor Augen haben, ohne sie zu sehen. Dabei spielen Medien eine entscheidende Rolle. Inwiefern Bilder unterschiedlich erinnert werden und gemeinschaftsstiftende Vorstellungen immer auch Menschen ausschließen, überlegen Fink&Wolf unter anderem anhand der fotografischen Inszenierung Marilyn Monroes, des Pressebildes »The Terror of War« von Nick Ut und der Ausstellung »A Series of Utterly Improbable, Yet Extraordinary Renditions« von Arthur Jafa.

Anders funktionieren detaillierte Bildbeschreibungen. Der sogenannte Alt-Text gibt Fotografien für sehbeeinträchtigte Menschen mit Worten wieder und lässt sie vor unserem inneren Auge sichtbar werden, ohne sie je gesehen haben zu müssen.

REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

Jan Mammey, Falk Messerschmidt: Statues Also Die

Besprochen von Steffen Siegel

Vor wenigen Tagen hat die Stiftung Buchkunst die von ihr in diesem Jahr ausgezeichneten »Schönsten Deutschen Bücher« bekannt gegeben. Eines ist »Statues Also Die« von Jan Mammey und Falk Messerschmidt, erschienen bei Kodoji aus Baden in der Schweiz und gestaltet von Helmut Völter. Ob sich die beiden Künstler gewundert haben, dass ihr Fotobuch in der Kategorie »Sachbuch/Ratgeber« ausgezeichnet wurde? Ebenso gut hätte es in die (bei der Preisvergabe nicht vorgesehene) Kategorie »Reiseführer« gepasst – jedenfalls in einem besonderen Sinn von Reise. Wer das Buch öffnet, wird sich in einer solchen Deutung bestätigt sehen: Im vorderen Klappcover findet sich ein Stadtplan von Paris, der sich auch als Inhaltsverzeichnis verwenden lässt.

Vor genau siebzig Jahren kam »Les statues meurent aussi« – gemeinsam von Alain Resnais, Chris Marker und Ghislain Cloquet gedreht – in die Kinos. Dass er heute ein Klassiker ist, lässt all zu schnell vergessen, dass er in Frankreich eineinhalb Jahrzehnte lang nur zensiert zu sehen war. Grund war die in ihm formulierte Kolonialismus-Kritik, und genau hieran schließen Mammey und Messerschmidt an – der übernommene Werktitel verdeutlicht es. Vor allem aber teilen sie mit dem Film die Schlüsselfrage nach der Sichtbarkeit des Kolonialismus. Sie fuhren dafür nicht in frühere französische Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent, sondern durchmusterten in ganzer Breite den Stadtraum von Paris (dem Ansatz von »Berlin Postkolonial« vergleichbar). Vom Ladenschild über Denkmäler bis hin zu ganzen Institutionen, ja Stadtteilen reicht die im Fotobuch zusammengeführte Sammlung.

Vielleicht ist das angesprochene Ladenschild tatsächlich der überraschendste Ort einer solchen Präsenz. Nicht ganz zufällig wird es auf der Rückseite des Covers besonders prominent ausgestellt, allerdings im Zustand eines Kommentars. Gegeben wurde er in violetter Farbe, vermutlich als Farbbeutel an das Schild geworfen. Es gehörte zu einem Laden, bei dem nicht allein sein Name »Au n*** joyeux« (also in etwa: »Zum fröhlichen N***«) eine solche Tat herausforderte, sondern auch ein gemaltes Bild, das mit rassistischen Klischees nicht geizig war. Genau besehen erzählt das Buch eine Geschichte: Zwei Aufnahmen zeigen Zustände vom Oktober 2016 und Dezember 2018 – und in ihnen bildet sich eine Entwicklung ab. Wer heute an die Place de la Contrescarpe geht, wird weder Schild noch Beschriftung finden.

Im Ganzen kommen Mammey und Messerschmidt auf gut drei Dutzend Pariser Erinnerungsorte, die allerdings in der Mehrzahl gerade das nicht sind: ein Anlass zur Erinnerung. Die kolonialen Wurzeln sind verdeckt, werden übersehen oder proaktiv ignoriert. Man sagt wohl nicht zu viel, wenn man behauptet: Wer dieses nicht nur schöne, sondern auch wichtige Fotobuch auf die nächste Paris-Reise mitnimmt, wird diese oft gesehene Stadt ganz gewiss mit neuen Augen betrachten.

Jan Mammey, Falk Messerschmidt: Statues Also Die, Baden CH (Kodoji Press) 2022. Mit einer Short Novel von Arno Bertina. 16,5 × 22,5 cm, 276 Seiten, 147 Farb- und Schwarz/Weiß- Abbildungen. Soft-Klappcover. ISBN 978-3-03747-108-1

 

EFEG #3 Jo Ractliffe / The Borderlands

In der dritten Folge von EFEG – Einige Fotobücher, einige Gedanken – sprechen Andreas Langfeld und Elisabeth Neudörfl über »The Borderlands« von Jo Ractliffe. Erschienen ist dieses Buch 2015 bei Editorial RM. Die EFEG-Folge ist auf diesem YouTube-Kanal abrufbar.

Nachdem Ractliffe für ihre beiden vorangegangenen Arbeiten »Terreno Occupado« und »As Terras do Fim do Mundo« in Angola fotografiert hatte, führt sie ihr Thema – die Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg in Angola und dem Befreiungskampf in Namibia sowie den Verstrickungen Südafrikas darin – in Südafrika selbst weiter, von wo aus viele Militäreinsätze ihren Anfang genommen haben. Dabei verfolgt sie, wie sie selbst sagt, die Idee einer Landschaft als (ehemals) militarisierter Zone.

Jo Ractliffe wurde 1961 in Kapstadt geboren. Sie studierte Bildende Kunst an der Ruth Prowse School of Art, Woodstock, und an der Michaelis School of Fine Art at the University of Cape Town (Bachelor of Fine Arts 1985, Master of Fine Arts 1988). Heute unterrichtet sie an der Witwatersrand School of Arts at Wits University, Johannesburg.

Jo Ractliffe: The Borderlands, Barcelona, Mexiko City (Editorial RM) 2015. Ca. 30 cm x 25 cm, Hardcover, keine Seitenzahlen, 4 Ausklappseiten, Bildteil 148 Seiten, Textteil 24 Seiten, 89 Fotografien.

Rein theoretisch #2 Anonymisierung

Die zweite Folge von REIN THEORETISCH widmet sich eingeschränkt sichtbaren Bildern: Fotografien mit unkenntlich gemachten Ausschnitten betonen oft, was den Betrachtenden vorenthalten wird. Hierbei werden hauptsächlich Individuen anonymisiert, deren Privatsphäre in der Medienberichterstattung nicht verletzt werden soll. Bildredaktionen müssen so abwägen, ob das öffentliche Interesse an einem Geschehen oder das Recht am eigenen Bild überwiegt. Handelt es sich bei dieser Einschränkung auch um eine Form von Zensur?

Fink & Wolf spekulieren außerdem über die Verwahrung großer Fotoansammlungen und das darin liegende Gewaltpotenzial durch anonyme Porträtfotografien. REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studierenden an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

Rein theoretisch #1 Zensur und Content Moderation

Fotografien für die Ohren! REIN THEORETISCH ist ein neuer Podcast von Dortje Fink und Julia Wolf. Beide studieren an der Folkwang Universität der Künste im M.A. Photography Studies and Research.

Anhand von Themen, die den künstlerischen, angewandten oder privaten Bereich betreffen, überlegen Dortje Fink und Julia Wolf, wie Fotografien zum Erscheinen oder Verschwinden gebracht werden. Sie sprechen über Bilder, die nicht gesehen werden können, wollen oder dürfen – also aus den Augen in den Sinn. Der Intro-Song stammt von Hossein Mousavifaraz, ebenfalls Student in unserem Research-Master.

In der ersten Folge beschäftigen sich Fink & Wolf mit den Themen Zensur und Content Moderation. In diesen Fällen sind Fotografien zwar potenziell vorhanden, aber durch bewusste Regelungen nicht mehr zu sehen. Autoritäre politische Systeme scheinen unerwünschte Abbildungen ungehemmt zu zensieren, wie das Beispiel einer Fotografie-Ausstellung von Gundula Schulze Eldowy in der DDR zeigt.

Aber auch in Demokratien werden Bilder gelöscht bevor oder nachdem sie in Umlauf gebracht werden. Anhand von Content Moderation in Sozialen Medien stellt sich die Frage, ob hier auch von Zensur zu sprechen ist. Ist Zensur immer etwas Schlechtes oder ist sie heute eine Notwendigkeit zum Schutz vor traumatisierenden Bildern in digitalen Netzwerken?

Ab sofort abrufbar auf Spotify und Apple Podcasts.

EFEG #2 LaToya Ruby Fraziers / The Notion Of Family

Die zweite Folge von Einige Fotobücher, einige Gedanken haben Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld dem Fotobuch »The Notion of Family« der US-amerikanischen Künstlerin und Aktivist LaToya Ruby Frazier gewidmet, erschienen 2016 bei Aperture in New York.

Im ersten Buch von LaToya Ruby Frazier sehen wir sie selbst, ihre Mutter und ihre Großmutter sowie ihre Heimatstadt Braddock, Pennsylvania im sogenannten Rust Belt. Die Fotos sind in einem Zeitraum von über zehn Jahren entstanden. Frazier wendet unterschiedliche bildnerische Strategien an, mal mehr, mal weniger inszeniert und experimentell.

LaToya Ruby Frazier wurde 1982 in Braddock, Pennsylvania geboren. Sie studierte an der Edinboro University of Pennsylvania (Bachelor of Fine Arts, 2004), an der Syracuse University (Master of Fine Arts, 2007) und im Whitney Museum Independent Study Program (2011). Sie ist Professorin für Fotografie an der School of the Art Institute of Chicago.

Die neue Folge von EFEG ist 1 Stunde und 21 Minuten lang und steht hier jederzeit zum Abruf bereit.

EFEG #1 Germaine Krull / Paris-Biarritz

In der ersten Folge von »Einige Fotobücher, einige Gedanken« sprechen Elisabeth Neudörfl und Andreas Langfeld über Germaine Krulls »La Route Paris–Biarritz« von 1931, erschienen in Paris bei den Éditions Jacques Haumont; ca. 22 cm × 15 cm, Broschur, 96 Seiten mit 87 Fotografien.

Germaine Krull fährt 1931 mit dem Auto von Paris nach Biarritz beziehungsweise noch darüber hinaus und fotografiert unterwegs sowohl Baudenkmäler, Stadtansichten und Landschaften als auch das Fahren selbst. Auch Claude Farrère begibt sich für sein Vorwort auf diese Reise...

Das einstündige Gespräch gibt es ab sofort auf dem YouTube-Kanal von EFEG.

Eric Meier: FF

Besprochen von Steffen Siegel

Es gibt Fotografien, bei denen genaues Hinsehen nicht reichen wird. »FF« von Eric Meier, erschienen bei sèche editions in Berlin, erinnert daran schon auf dem Cover. Wer den großformatigen, gut zwei Kilo schweren Band in die Hand nimmt, muss es spüren: Die Buchstaben sind so rau wie Schleifpapier. Damit ist zugleich ein Ton gesetzt. Es geht hier um eine Form der Sinnlichkeit, die die Augen ebenso viel angeht wie die Fingerkuppen.

Ein neunseitiges Intro, gesetzt in großen Lettern, wirft für »FF« stakkatohafte Lyrics hin: „Es riecht nach Money Honey, aber nicht für Dich.« Oder: »Es ist 93, 94, 95, 96, 99 Uhr. Millennium. Im Takt der Zonierung ist die Zornierung produktiv gesteigert.« Oder: »Wie schön der Schutt ist oder die Blume, die sich durch die Platte gräbt.« Und: »Die Tür ist jedoch immer einen Spalt auf. Und wenn nicht, rennen wir durch die Scheibe. Welt offen.« Direkt danach, auf Seite 13, kann man diese Scheibe sehen.

Doch folgen keine Blick ins Offene, sondern 250 Seiten voller Close-Ups, immer schwarz-weiß. Fotografien für die Fingerspitzen: die kleinen glatten Kiesel im porösen Waschbeton, der feinkörnige Rost auf dem schmalen Treppengeländer, die glatten Kachelfliesen der fensterlosen Fassaden, die scharfkantigen Schuppen der splitternden Ölfarbe, die kubistischen Formbausteine, zusammengefügt wie die Betonplatten für Hauswände und Gehsteige, zwischen ihnen ein Kleber aus Teer, der im Sonnenschein an Härte verliert und dunkel zu riechen beginnt. Spätestens hier kommt auch die Nase ins Spiel.

Es ist nicht schwer, solche materiellen Qualitäten metaphorisch aufzufassen – und gewiss ist es auch nicht falsch, gerade solche Schlüsse zu ziehen. Oft genug ist das, was Eric Meier in seinen Bildern zeigt, brüchig, marode, verfallen oder sogar mutwillig zerstört. Allerdings liegt unter dieser rauen Ikonografie eine zweite Ebene, und gerade hierfür benötigt es den fotografischen Blick. Der ist aufmerksam, intensiv, genau. Die so entstehenden Fotografien sind dabei vor allem eines: den Dingen zugewandt.

Kein einziges dieser Bilder zeigt Menschen – und doch geht es auf allen Seiten des Buches nie um etwas anderes. Eine Lebenswelt voller alter und einiger neuer Zeichen im Habitat »FF« wie Frankfurt an der Oder. Michael Schmidt eröffnete sein legendäres (gerade wieder aufgelegtes) Buch »Ein-heit« mit einem Blick ins Gelände der ostdeutschen Plattenbaugebiete, weitete dann aber sehr schnell die Perspektive. Eric Meier bleibt hier beharrlich: Seine Ortserkundung folgt geduldig den großen Formen und kleinen Zeichen, sammelt Blicke für Augen und Fingerspitzen – und verdichtet sie zu einem meisterhaft präzisen Fotobuch.

Eric Meier: FF, Berlin (sèche editions) 2021. 304 Seiten, Hardcover, 24 × 32 cm. Gestaltet von HOMI Creative Studio, mit Texten von Eric Meier, Malina Lauterbach und Clemens Vilinger. ISBN: 978-3-949495-01-4

Fototechnik-a

Besprochen von Steffen Siegel

Es gehört zu den prägenden Ideen des Diskurses zur Fotografie, dass er das Medium und den menschlichen Körper zusammendenkt. Eigentlich von Anfang an, denn immerhin hatte schon im Januar 1839 der Chemiker Biot die fotografische Platte mit einer künstlichen Netzhaut verglichen. Sehr viel später würde dafür in Toronto das schöne Wort von den »extensions of man« geprägt werden. Die englische Sprache hat allerdings auch die Eigenart, mit einer solchen Formulierung wichtige Differenzen zudecken zu können. Marshall McLuhan dachte vermutlich, als er so formulierte, an medial ermöglichte Erweiterungen des Menschen, nicht aber des Mannes. Ein gerade eben im Fotohof Salzburg erschienener Band fragt nun aber zurück: War vielleicht doch nur der Mann gemeint? Hat Fotografie (abgesehen vom grammatikalischen Femininum) traditionell ein Geschlecht? Anders formuliert: »Wie weiblich ist die Fototechnik?«

Der typografisch anspruchsvolle Titel des Buches ist programmatisch gewählt und lässt sich hier nur indirekt zitieren: »Fototechnik-a«, mit hochgestelltem a. Was die Herausgeberinnen und Autorinnen Caroline Heider, Ruth Horak, Lisa Rast und Claudia Rohrauer auf 110 großformatigen Seiten zusammentragen, ist keine systematische Untersuchung dieses sehr weiten Feldes, sondern ein Versuch, Schlaglichter zu setzen. Nur ein Beispiel: Seit 1839 und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein sind Hand- und Anleitungsbücher zur fotografischen Technik und ihrer Anwendung wie Sand am Meer erschienen. Es gibt wirklich zu denken, worauf Caroline Heider aufmerksam macht: Fast stets wurden diese Bücher von einem Mann geschrieben. Dass damit ein handfester Sexismus einhergeht, zeigt die Künstlerin anhand von Illustrationen aus solchen Büchern und nicht zuletzt der noch immer überreich verlegten Foto-Magazine.

Von besonderem Wert ist in diesem Band das Zusammenspiel der verschiedenen Wissensformen: wissenschaftliche Aufsätze (ausführlich von Ulrike Matzer und Katharina Steidl) stehen neben künstlerischen Reflexionen (neben Caroline Heider sind das Lisa Rastl und Claudia Rohrauer). Zusammengehalten wird das alles auf charmante Weise durch die Stimme von Ruth Horak, die die Beiträge erläuternd anmoderiert.

Caroline Heider, Ruth Horak, Lisa Rastl, Claudia Rohrauer: FOTOTECHNIK-A, Salzburg (Fotohof) 2023. 110 Seiten, broschiert, zahlreiche Farbabbildungen, 30,5 × 22 cm, ISBN: 978-3-903334-55-7.

Gloria Ruiz Melendez on the Exhibition »On Display«

»On Display«, exhibition view at Kunstmuseum Ahlen, 2022. Photo: Samuel Solazzo.

The Unattainable Border
By Gloria Ruiz Melendez

»A wormhole«, I wrote in my note app as the first impression of the double feature in the Ahlen Kunstmuseum: »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! Die frühen Jahre der Fotografie« and »On Display: Der Körper der Fotografie«. A feeling of symmetry, of a mirrored image, of a question as old as the technology of Photography: Where do the possibilities end? Is there more? Questions asked in the 19th century with a resonance in today’s contemporary Art and Photography theorization and practice world, not only in this specific set of expositions but also in others that aim to reflect on the very nature of the limits of the medium, in a time when photography has become absolutely immersive in our everyday life, integrated into our routine as something that it’s »there« and we seldom think about. Photography has become the way we see and not the other way around, a mass of data that flows with a life of its own, like a river.

In »On Display: Der Körper der Fotografie«, more than an exploration body, it’s the attempt of digging it to its bones, confronting the audience with the notion that we’re watching, confronting us with our expectations around photography in our private and public life, something mundane but also intimate. Joan Fontcuberta explains in »Photography, Crisis in History«: In Photography two facets have necessarily coexisted: (1) the image as visual information (2) the physical support of a medium, objectual dimension. In the daguerreotype, the plate embodies an image. In the archive, the information aspect prevails. In a museum, it’s the objectual aspect. On Display takes on the specific task to scratch, taking techniques and methods of the past into a contemporary while »Neue Wahrheit? Kleine Wunder! with their stereographs, which have been the basis of the very contemporary world of Augmented Reality and Virtual Reality, reminds us that this urge to grasp reality in new and more encompassing ways has been a part of the very nature of Photography since it’s conception.

The rules about photography keep changing and getting looser, as nowadays we’re able to create images that don’t really exist, and Artificial Intelligence can combine, merge and interpret images in a way that sounded like science fiction only mere decades ago. The urge to adopt and reject technology, the urge to keep photography in »its body«, like a reversed exorcism, when Photography seems to start losing its materiality and becoming pure data. Photography is about control, but also about leaving room for coincidence and exploration while finding a lot of the same urges in the neighbor Exposition: »to have been there«, memories, events, the word Truth.

Where does the border lie? For Photography, it feels like the Borgean »Book of Sand«: never-ending, shapeshifting, always bringing a new page into a seemingly never-ending book.

Gloria Ruiz Melendez has been a DAAD student at Folkwang University of the Arts since 2021.